Bucharei

[339] Bucharei (die große und die kleine) werden zwei Gebiete in Mittelasien genannt, welche zusammen das alte Maweralnaher und spätere Usbekistan ausmachen, welchen Namen dieses Land von dem seit dem 15. Jahrh. aus Norden dahin eingewanderten und dort herrschenden türk. Stamme der Usbeken erhielt. Die große, freie Westbucharei oder Bukhara bildet den südöstl. Theil der Tatarei, hat 26,800 ! M. Flächenraum, 3 Mill. Einw., neben Sandwüsten und öden Steppen auch viel fruchtbaren Boden und besteht zum Theil aus einem anmuthigen Hügellande, das die Flüsse Amu und Sogd durchströmen und in den angebauten Gegenden zahllose, daraus abgeleitete Kanäle bewässern. Das Klima ist sehr mild und nur im Dec. pflegt gelinder Frost einzutreten; Garten- und Feldfrüchte, vorzüglich Mais und Baumwolle, gedeihen daher trefflich und letztere ist ein wichtiger Ausfuhrartikel. Von den Bewohnern sind die Hälfte Usbeken, ein kleiner, aber kräftiger Menschenschlag, der seiner umherziehenden Lebensart noch nicht entsagt hat, Viehzucht, besonders Kameel- und Pferdezucht treibt und unter Zelten wohnt. Die Bucharen, auch Tadschiks genannt, machen den civilisirtesten, allein nur den vierten Theil der Bevölkerung aus, bewohnen die Städte, treiben Landwirthschaft und sind die vornehmsten Handels- und Gewerbsleute dieser Gegenden, die außerdem von Türken, Juden, Persern und Afghanen bewohnt werden. Oberhaupt der despotischen Regierung ist seit 1827 der Großchan Batyrchan, welcher aber nur des Winters in einem seiner Schlösser residirt und des Sommers mit seinen Heerden umherzieht; neben ihm steht der vornehmste Geistliche der herrschenden mohammedan. Religion in hohem Ansehen. Das Kriegsheer besteht aus einer Menge unregelmäßiger Reiter, aus wenig Fußvolk und Artillerie.

Das Land ist in sieben Tumans oder Provinzen eingetheilt, die besondere Statthalter verwalten. Die Hauptstadt Bukhara hat 70,000 Einw. und ist einer der wichtigsten Stapelplätze des asiat. Handels, indem hier die meisten Karavanen von Mittelasien zusammentreffen. Die Stadt besitzt daher ausgedehnte Bazars und die Karavanserais nehmen ein Drittheil ihres eine halbe Meile im Durchmesser haltenden, von hohen Lehmmauern umgebenen Gebietes ein. Auch die Häuser sind meist von Lehm, die der Vornehmen aus Backsteinen erbaut und viele Straßen nur für ein beladenes Kameel breit genug. Ein Schloß auf einer Anhöhe ist die gewöhnliche Residenz des Khans; auch befindet sich hier das Grab Timur's (s.d.) und in einer Vorstadt eine jüdische Colonie, die ihren Ursprung von der babylonischen Gefangenschaft herleitet. Die zweite Stadt, das uralte Samarkand mit 50,000 Einw., in der Mitte des reizenden Sogdthales gelegen, ist ebenfalls ein wichtiger Handelsplatz und besitzt vorzügliche Baumwollen-, Lederwaaren- und Seidenpapierfabriken. Die Stadt ist meist von Holz gebaut und war im 14. Jahrh. weltberühmt als die glänzende Residenz Timur's, der hier eine hohe Schule stiftete, die sich bald zum Mittelpunkte mohammedan. Wissenschaft und Literatur in Mittelasien erhob und noch fortbesteht, allein ihre frühere Berühmtheit verloren hat. Andere wichtige Städte sind Karakul am Amu mit 30,000 Einw. und Kartschi, die Hauptstation der von Kabul in Afghanistan nach Samarkand ziehenden Karavanen. – Die kleine Bucharei, [339] auch Ost-Dschagatai und Turfan genannt, grenzt westl. an die große Bucharei, gegen S. an Tibet, gegen O. an die Mongolei und nördl. an die Dzungarei, hat 27,000 ! M. Flächenraum und eine Mill. Einw., die meist aus mohammedan. Bucharen, welche zum Theil starken Karavanenhandel nach Persien, Indien, China, Sibirien treiben und außerdem aus Mongolen, Chinesen, Banjanen, Zigeunern u.s.w. bestehen. Das Land enthält die höchsten Gebirge Asiens nach dem Himalaya, mehre noch thätige Vulkane und im südl. und südöstl. Theile die von Flugsand gebildete Wüste Schaschin, besitzt aber im N. und W. herrliche Alpentriften, daher viel Viehzucht getrieben wird, und einige trefflich angebaute Landstriche, die Getreide, Obst, Wein, Baumwolle, Rhabarber in Überfluß erzeugen; auch Südfrüchte gedeihen hier, da trotz der hohen Lage die Sommer sehr heiß und die Winter gelinde sind; edle Metalle, Jaspis, farbige Edelsteine, selbst Diamanten gehören ebenfalls zu den Landesproducten. Den Flüssen, die bei dem gewöhnlichen Mangel an Regen zur künstlichen Bewässerung der Ländereien dienen, versperren die Gebirge jeden Ausweg und sie verlieren sich sämmtlich in den Steppen oder Seen des Binnenlandes, wie z.B. der Jarkand, der größte derselben, in dem 30 Meilen im Umfange haltenden See Lop Noor.

Die kleine Bucharei hat eigne, seit 1759 den Chinesen zinsbare Chane, welche in ihre Städte und Schlösser chines. Besatzung einnehmen müssen. Die vornehmsten Orte und wichtigsten Handelsplätze, durch welche die aus China nach dem westl. Asien führende große Karavanenstraße geht, sind: Turfan, unweit eines bedeutenden Vulkans, in dessen Höhlungen Salmiak gesammelt wird; Kaschgar mit 80,000 Einw., der wichtigste Waffenplatz in dieser Gegend; Jarkand mit 30,000 Einw.; Hami und Katsche.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 339-340.
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