Balder

[297] Balder (altnord. Baldr), ein german. Gott, von dem jedoch nur die nordischen Quellen Ausführlicheres erzählen, während seine Verehrung in Deutschland nur durch den zweiten Merseburger Spruch bezeugt ist. Nach dem Berichte der Edden war B. ein Sohn Odins und der Frigg, der mildeste und gerechteste unter den Asen. Seine Gattin war Nanna, mit der er den Forseti (s. d.) erzeugte. Da B., durch böse Träume geängstigt, einen vorzeitigen Tod fürchtete, nahm Frigg alles, was in der Welt ist, Lebendes und Lebloses, in Eid, ihm nicht zu schaden, übersah aber die unscheinbare Mistelstaude (mistilteinn), und mit dieser ward er durch seinen Bruder, den blinden Hod, erschossen. Der Urheber des Mordes war jedoch der böse Loki, der Frigg ihr Geheimnis entlockt, die verderbliche Pflanze auf Hods Bogen gelegt und ihm die Richtung, in der er schießen sollte, angegeben hatte. Durch Lokis Arglist waren auch die Bemühungen der Götter, B. aus dem Totenreich wiederzuerlangen, vergeblich;[297] nach dem Untergang und der Erneuerung der Welt wird er jedoch zurückkehren und dann in Ewigkeit seines göttlichen Amtes walten. Der Tod Balders ward an Hod durch Wali, den Sohn Odins und der Rind, gerächt. Eine andre Darstellung des Baldermythus gibt der dänische Geschichtschreiber Saxo Grammaticus, nach dem nur B. (Balderus) ein Sohn Odins, sein Gegner (Hotherus) dagegen ein schwedischer Königssohn ist, der später auch die Krone von Dänemark erlangt. Die Feindschaft zwischen ihnen ist nach Saxo dadurch entstanden, daß beide um Nanna sich bewerben, die den Hotherus bevorzugt und mit ihm sich vermählt. B. wird durch Hotherus getötet, nachdem dieser in den Besitz des einzigen Schwertes gelangt ist, das den Gott zu verletzen vermag; doch Bo, ein Sohn Odins und der Rinda, übt Blutrache an Hotherus, worauf diesem sein Sohn Rörikus in der Königswürde folgt. Beide Erzählungen hat man gewöhnlich auf alten Jahresmythus gedeutet: B. als den lichten Gott des Sommers, der alljährlich der Macht des Winters erliegt; seine Gattin (als das Pflanzenleben), die ihm in den Tod folgt (so nach dem isländischen Bericht) oder als Beute dem Gegner zufällt (dies ist zweifellos die ursprüngliche Form der dänischen Sage gewesen, die Saxo schon verderbt vorfand, wenn er sie nicht aus Vorliebe für das dänische Königsgeschlecht wissentlich fälschte). Neuerdings hat Kauffmann in seinem Buche »Balder, Mythus und Sage nach ihren dichterischen und religiösen Elementen untersucht« (Straßb. 1902) den Mythus von B. (dem heroisierten Könige) aus dem altgermanischen Opferkultus abzuleiten versucht.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 297-298.
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