Barthélemy

[404] Barthélemy, 1) Jean Jacques, franz. Altertumsforscher, geb. 20. Jan. 1716 zu Cassis in der Provence, gest. 30. April 1795 in Paris, studierte zu Marseille Theologie, widmete sich aber bald antiquarischen, besonders numismatischen Studien, fand 1745 eine Anstellung am königlichen Münzkabinett zu Paris, wurde 1753 Direktor desselben und machte es, besonders durch zahlreiche Erwerbungen auf einer Reise durch Italien (1754–57), zu einer der reichsten und geordnetsten Sammlungen dieser Art. Europäischen Ruhm erwarb sich B. durch »Voyage du jeune Anacharsisen Grèce« (Par. 1788, 7 Bde., mit Atlas, u. öfter; deutsch von Biester und Jenisch, Berl. 1790 bis 1793, 7 Bde., sowie von Fischer und Th. v. Haupt, 2. Ausg., Mainz 1836, 7 Bde.), worin er ein lebensvolles Bild der sozialen Zustände Griechenlands in seiner Blütezeit gub. Als Romandichter versuchte er sich in den angeblich aus dem Griechischen übersetzten »Amours de Carite et de Polydore« (Par. 1760; deutsch, Lemgo 1799). Seine »Œuvres diverses« sammelte Sainte-Croix (1798, 4 Bde.; 1823, 2 Bde.;[404] deutsch, Leipz. 1799, 2 Bde.), seine »Œuvres complètes« Villenave (1821, 4 Bde., mit Biographie).

2) François Marquis de, franz. Staatsmann, Neffe des vorigen, geb. 20. Okt. 1747 in Aubagne, gest. 3. April 1830, trat unter Ludwig XVI. in den diplomatischen Dienst und wurde 1791 als bevollmächtigter Minister nach der Schweiz geschickt. Hier leistete er der Republik, die lange allein durch ihn mit der Außenwelt in Verbindung stand, gute Dienste und schloß 1795 den Frieden von Basel mit Preußen und mit Spanien. 1797 kehrte er nach Paris zurück, wegen seiner gemäßigten Richtung vom Rate der Alten an die Stelle Letourneurs zum Mitgliede des Direktoriums gewählt. Doch wurde er durch den Staatsstreich vom 18. Fructidor (4. Sept. 1797) gestürzt und nach Cayenne deportiert, von wo er aber bald nebst sechs Gefährten nach England entkam. Nach dem 18. Brumaire (9. Nov. 1799) vom Ersten Konsul zurückberufen. ward er 10. Febr. 1800 zum Mitgliede, dann zum Vizepräsidenten des Senats und zum Reichsgrafen ernannt. Im April 1814 präsidierte er im Senat, als dieser die Absetzung des Kaisers aussprach, und ward nach der zweiten Restauration Staatsminister und Marquis. Seine ultrareaktionäre Haltung machte ihn so unbeliebt, daß er sich 1819 aus dem politischen Leben zurückzog. Vgl. Kaulek, Papiers de B., ambassadeur de Franceen Suisse (Par. 1887–94, 5 Bde.); Stroehlin, La mission de B.en Suisse (Genf 1900).

3) Auguste Marseille, franz. Dichter, geb. 1796 in Marseille, gest. daselbst 23. Aug. 1867, wurde im Jesuitenkollegium zu Juilly erzogen, kam 1822 mit seinem Freunde Méry nach Paris und schrieb mit ihm eine Anzahl Satiren gegen die Bourbonen, die durch ihren beißenden Spott, durch die Lebendigkeit und Leichtigkeit ihrer Verse einen großen Leserkreis gewannen. Der Kultus Napoleons verband sich ganz natürlich mit diesen Bestrebungen; die Frucht davon war das historische Epos »Napoléonen Egypte« (1828; deutsch von Schwab, Stuttg. 1829), worin die poetische Seite dieses wunderbaren Feldzugs sehr geschickt aufgefaßt ist. Um es dem Herzog von Reichstadt selbst zu überreichen, begab sich B. nach Wien, wurde aber nicht vorgelassen und rächte sich durch das Gedicht »Le fils de l'homme, ou souvenirs de Vienne« (1829), das ihm eine dreimonatige Haft zuzog. Nach der Julirevolution setzte B. seine Opposition noch zwei Jahre fort; er veröffentlichte mit Méry den Triumphgesang »L'Insurrection« (1830), eine seiner gelungensten Leistungen, und »La Dupinade, ou la révolution dupée« (1831), dann, nachdem Méry als Bibliothekar nach Marseille gegangen war, seine »Douze journées de la Révolution« (1832), worin zwölf wichtige Tage der ersten Revolution gefeiert werden, und gründete die satirische Wochenschrift »Némésis« (1831 u. ö.; in Buchform 1834, 1878), die ein Jahr lang die heftigsten Angriffe gegen die Regierung richtete und unglaubliche Popularität genoß. Um diese Angriffe zum Schweigen zu bringen, sah sich die Regierung gezwungen, B. zu erkaufen; sein Landsmann Louis Bastide setzte in der »Tisiphone« die Angriffe fort, allein B. selbst war seitdem abgetan. Er versuchte umsonst, durch sein Gedicht »Ma justification« (1832) sich rein zu waschen. Die poetischen Werke Barthélemys erschienen mit denen Mérys gesammelt in 6 Bänden (Par. 1833).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 404-405.
Lizenz:
Faksimiles:
404 | 405
Kategorien: