Chatterton

[903] Chatterton (spr. tschättert'n), Thomas, engl. Dichter, geb. 20. Nov. 1752 in Bristol als Sohn eines armen Küsters, gest. 25. Aug. 1770, besuchte die Armenschule von Colston und schrieb, elf Jahre alt, bereits eine Satire auf einen Methodisten, der seines Vorteils halber seine Gemeinde verlassen hatte. Mit dem 14. Jahr trat er als Schreiber in den Dienst eines Advokaten in Bristol und brachte bald darauf alte Gedichte zum Vorschein, die, nach seiner Behauptung von einem Mönch des 15. Jahrh., namens Rowley, verfaßt, großes Aufsehen erregten. Diese enthielten ein Festgedicht auf die Einweihung einer Brücke, die Fragmente eines Trauerspiels, »Aella«, und balladenartige Kompositionen über Begebenheiten der normännischen Eroberung. In der Hoffnung, vom reichen Antiquar Sir Horace Walpole unterstützt zu werden, sandte ihm C. einige solche »alte« Schriften, und schon wollte Walpole sie drucken lassen, als ihn Gray und Mason auf die Fälschung aufmerksam machten. Jetzt ließ Walpole den seltsamen Knaben ohne Antwort, was ihm später bittere Vorwürfe brachte; denn C., von seinem Prinzipal entlassen, ging nach London und machte, in seinem Stolz verletzt, dazu von Hunger und Elend gepeinigt, bald darauf, noch nicht 18 Jahre alt, seinem Leben durch Gift ein Ende. Erstaunlich ist nicht allein das Talent, mit dem der Knabe die Sprache und Ausdrucksweise, ja die äußere Gestalt einer frühern Zeit nachbildete, sondern noch mehr sein Gedankenreichtum und seine poetische Kraft. Was er in moderner Form schrieb, ist dagegen meist mittelmäßig. Vollständige Ausgaben seiner Werke erschienen zu London 1803 von Southey, der wie alle Dichter der Seeschule von C. hoch dachte, dann 1842 (2 Bde.) und 1875 (2 Bde.). Für die Echtheit der Gedichte Rowleys trat James Bryant auf in dem Werk »Observations upon the poems of Th. Rowley« (Lond. 1781, 2 Bde.). Das tragische Ende des Dichters lieferte A. de Vigny den Stoff zu seinem Drama »Chatterton« (1837). Vgl. seine Lebensbeschreibungen von Davies (Lond. 1806), Dix (das. 1837), Wilson (das. 1869), Masson (1874, 2. Aufl. 1899), Püttmann (mit Übersetzungen, Barmen 1840, 2 Bde.). Helene Richter (Wien 1900); dazu Georges, New facts relating to the C. family (Lond. 1883).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 903.
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