Bristol

[429] Bristol (spr. bristĕl), 1) Stadt (city) und Grafschaft im südwestlichen England, an der Vereinigung von Avon und Frome, von denen sich ersterer 10 km unterhalb der Stadt in den Severn ergießt, durch Kanäle mit Severn und Themse verbunden und Knotenpunkt der Midland- und Great Western-Eisenbahn. Das eigentliche B. liegt am rechten Ufer, Redcliff ihm gegenüber, am linken Ufer, und Clifton auf steiler Höhe weiter unterhalb. Den Avon überspannt eine kühne Kettenbrücke, 214 m lang und 88 m hoch. B. zeichnet sich durch seine zahlreichen (über 100) alten Kirchen und in andrer Art ehrwürdigen mittelalterlichen Bauten aus. Unter den Kirchen sind namentlich hervorzuheben: die von St. Mary in Redcliff, ein prachtvoller gotischer Sandsteinbau aus dem 13.–15. Jahrh.; die Kathedrale, 1306–32 erbaut, 1868–76 restauriert und 1888 vollendet, mit interessantem normännischen Kapitelhaus; die kleine, reichverzierte Mayor's Chapel (13. Jahrh., 1889 erneut); die Stephanskirche (mit Turm von 1472); die Templerkirche (aus dem 12. Jahrh.) und die katholische Kathedrale (in griechischer Tempelform). Von den sonstigen Bauwerken zeichnen sich aus: das neugotische Rathaus (Guildhall), 1846 vollendet; der Gerichtshof (Council House), im italienischen Stil, mit Bildsäule der Gerechtigkeit von Baily; die 1743 erbaute Börse mit korinthischen Säulen; das nach den Krawallen von 1831 neuerbaute Zollhaus; die Bristol Institution (s. unten); das Theater; die Victoria Rooms mit großem Konzertsaal; die Commercial Rooms (der Hauptsammelplatz der Kaufleute) mit ionischem Portikus; mehrere Bankgebäude und Wohltätigkeitsanstalten. Auch die Märkte (einschließlich des Ledermarktes) gereichen der Stadt zur Zierde. B. hatte 1901 mit Clifton 328,842 Einw. Die Industrie liefert namentlich Zucker, Tabak und Zigarren, Metall- und Lederwaren, Seife, Wachstuch, Maschinen und Glas. Die von den Flämen eingeführte Tuchweberei hat sich indes nach den Orten im NO. der Stadt gezogen. Es gab eine Zeit, da B. als Seestadt nur von London übertroffen wurde, doch seit dem 18. Jahrh. ist es hinter mehreren englischen Häfen erheblich zurückgeblieben. Die Handelsflotte zählte 1901: 170 Seeschiffe von 64,965 Ton. Gehalt, die Einfuhr betrug 1900: 11,406,333 Pfd. Sterl., die Ausfuhr britischer [429] Produkte 1,292,278 Pfd. Sterl. Eingeführt werden vornehmlich Getreide, Fleisch, Zucker, Käse, Petroleum; zur Ausfuhr kommen besonders Eisenwaren, Tabak und Kupfer. Der Küstenhandel ist namentlich mit Irland sehr lebhaft. 1901 liefen 8332 Schiffe (darunter 7500 Küstenfahrer) von 1,566,112 Ton. ein, 8053 (darunter 7626 Küstenfahrer) von 1,517,006 T. aus. Der Hafen wurde 1804–1809 mit einem Kostenaufwand von 600,000 Pfd. Sterl. erbaut, indem man den Avon in ein neues Bett leitete und das alte in Docks verwandelte. Der Avon steigt mit der Flut 6–10 m hoch, so daß die größten Schiffe an die Kais gelangen können. Außerdem hat man an der Mündung des Avon (bei Avonmouth) durch Anlage von neuen Docks 1876 einen Vorhafen gegründet. Sehr zahlreich sind in B. die der Kunst und Wissenschaft gewidmeten Anstalten. Die Bristol Institution (1823 eröffnet) besitzt ein geologisches Museum und eine Kunstsammlung; in Verbindung mit der Bristol-Bibliothek besteht ein naturhistorisches Museum; die Kunstschule hat eine Gemäldesammlung. Unter den Bildungsanstalten verdienen Erwähnung: University College, die Colleges der Baptisten und Independenten; die medizinische Schule; ein Athenäum, ein Seminar für Lehrerinnen und mehrere Lateinschulen, die älteste 1532 gegründet. Die Sternwarte in Clifton steht inmitten römischer Verschanzungen. Nicht weit von ihr liegt der botanisch-zoologische Garten. Ungemein reich ist B. an wohltätigen Anstalten, deren Gründung teilweise ins Mittelalter hinausreicht. Erwähnung verdienen namentlich das allgemeine Krankenhaus (General Hospital), das städtische Krankenhaus (Infirmary), das Queen Elizabeth Hospital (ein 1586 gegründetes Waisenhaus) und das von G. Müller ins Leben gerufene Waisenhaus für 2050 Kinder. B., das bis 1888 zu Gloucestershire gehörte, ist Sitz eines anglikanischen Bischofs sowie eines deutschen Vizekonsuls, Clifton Sitz eines katholischen Bischofs. Die städtische Verwaltung besteht aus einem Mayor, 16 Aldermen und 48 Ratsmitgliedern; B. sendet 4 Mitglieder ins Unterhaus.

Die Gründung von B. wird von der Sage auf einen britischen König, Brennus, der Bau des Schlosses auf Alfred d. Gr. zurückgeführt; unter dem Namen Caer Brito (bei den Angelsachsen Brightstow) wird es zuerst erwähnt. Im 12. Jahrh. erhielt B. ein festes Schloß, das in der Folge bisweilen zum Staatsgefängnis diente und unter Cromwell 1665 niedergerissen ward. Heinrich II. verlieh B. an John von Morton, der den Bürgern 1183–89 einen Freiheitsbrief bewilligte; Heinrich III. gab es seinem Sohn Eduard, und unter Heinrich VIII. wurde es Bischofssitz. Seinen Aufschwung verdankt es der Schiffbarmachung des Avon (1727) und den 1804 begonnenen Dockanlagen. Vgl. Nicholls u. Taylor, B., past and present (Bristol 1881–82, 3 Bde.); Lesser Columbus, Greater B. (das. 1893); Hunt, Bristol (in der Sammlung »Historic towns«, Lond. 1887).

2) Stadt in der Grafschaft Hartford des nordamerikan. Staates Connecticut, 30 km südwestlich von Hartford, hat eine große Wanduhrenfabrik, Maschinenbau, Gießereien etc. und (1900) 9643 Einw. – 3) Stadt in Pennsylvanien, Grafschaft Bucks, am Delaware, 30 km oberhalb Philadelphia, mit dem es durch Eisenbahn und Dampfer verbunden ist, hat zahlreiche Fabriken, eine Mineralquelle und (1900) 7104 Einw. – 4) Hauptstadt der Grafschaft B. im Staat Rhode-Island, Bahnknotenpunkt, auf einer Narragansetbai-Halbinsel schön und hoch gelegen, hat einen guten Hafen und (1900) 6901 Einw. Es schließt den schönen, 95 m hohen Mount Hope ein, bekannt aus den blutigen Kämpfen des sogen. Königs Philipp, Häuptlings der Pequodindianer, mit den Kolonisten gegen Ende des 17. Jahrh. – 5) Stadt in der Grafschaft Sullivan des nordamerikan. Staates Tennessee, z. T. aber auch in der Grafschaft Washington von Virginia, Bahnknotenpunkt, mit College, Korn- und Sägemühlen und (1900) 9850 Einw.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 429-430.
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