Ding [2]

[17] Ding (neuhochd. Form des german. thing, althochd. dinc), Volksversammlung, insbes. Gerichtsversammlung bei den germanischen Stämmen. Das D. wurde öffentlich, unter freiem Himmel, besonders auf Hügeln oder unter Bäumen, abgehalten. D. und Dingstätte standen unter dem Schutze der Götter. Der Eröffnung der Versammlung geht die Hegung, Heiligung, des Dings voraus, bestehend in feierlichen Erklärungen und Fragen (Hegungsfragen), auf die die Verkündung des Dingfriedens durch den Vorsitzenden und eine räumliche Abgrenzung der Dingstätte folgte. Die Teilnahme an der Gerichtsversammlung ist ursprünglich Recht und Pflicht aller freien und wehrhaften Männer des Volkes. Vorsitzender ist ursprünglich der Herrscher (König, Fürst), in fränkischer Zeit der Graf (s. d.), der die verschiedenen Dingstätten der einzelnen Hundertschaften zur Abhaltung des Dings bereiste. Es werden unterschieden: das echte D., die ordentliche, an bestimmten Dingstätten und in bestimmten zeitlichen Zwischenraumen ohne besonderes Aufgebot stattfindende Gerichtsversammlung, an der alle Dingpflichtigen teilzunehmen haben; das Botding oder gebotene D., dasjenige D., für welches die Dingpflicht erst durch das Aufgebot des Richters begründet wurde, und zu dem nur die Aufgebotenen zu erscheinen hatten, oder nach andrer Auffassung ein D., das man bei Strafe besuchen mußte, sogen. Bußding, endlich das Nachding oder Afterding, das zur Erledigung der im echten D. unerledigt gebliebenen Angelegenheiten im Anschluß an dieses oder kurz darauf abgehalten wurde. An der Rechtsprechung ist sowohl der Richter (Vorsitzende) als die Gerichtsgemeinde (bez. ein Ausschuß, die Rachimburgen) beteiligt; das Urteil kommt jedoch stets durch das Vollwort der Gerichtsgemeinde zu stande; was diesem vorausgeht, ist Urteilsvorschlag. Durch Karl d. Gr. wurde die Pflicht des Erscheinens zunächst auf drei jährliche Dinge beschränkt und ein ständiges Schöffenamt eingeführt. Die Schöffen fungieren in den Vollgerichten als Urteilsfinder, im gebotenen D. als eigentliche Urteiler. Im spätern Mittelalter fällt die Mitwirkung der Gemeinde bei der Rechtsprechung ganz weg, und die Schöffen treten vollständig in die Stelle der Gerichtsgemeinde ein. Dingstuhl, Dingbank, Dingstelle, Dingstätte, Dinghof (Fronhof) heißt der Herrenhof, auf dem für die Hintersassen (Hübner) der gutsherrlichen Marken das Gericht (Hubding, Hübnerding) abgehalten wurde. Der Herr eines solchen Dinghofs hieß Dinghofsherr (Dinggraf), der unter Beisitz der Dinghofsleute (Hübner) selbst Gericht hielt oder durch einen Beamten (Dingvogt) halten ließ. Dingflüchtigkeit bedeutet das Entweichen des Beklagten aus dem Gericht nach begonnener Verhandlung. Gau- oder Landesding ist ein D., das von allen Gerichtspflichtigen des Gaues zu besuchen ist (s. Gau); Burgding (auch Burggrafending), das Gericht des Burggrafen über die seinem Gerichtsbann unterliegenden Personen, dann auch: Burgfriede, Stadtmark. Noch jetzt ist in Island Thing gleichbedeutend mit Gerichtssprengel; auch sonst kommt das Wort in verschiedenen Zusammensetzungen vor, z. B. Storthing, die norwegische Reichsversammlung, Lagthing, der engere Rat derselben; Folkething, die zweite, Landsthing, die erste Kammer in Dänemark.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 17.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: