Eisvogel [1]

[575] Eisvogel (Alcedo L.), Gattung der Klettervögel aus der Familie der Eisvögel (Alcedinidae), Vögel mit langem, dünnem, geradem Schnabel, kurzem Hals, kurzen Flügeln, sehr kurzem Schwanz, sehr kleinen, kurzen Füßen, an denen die beiden äußern der drei Vorderzehen bis zum zweiten Gelenk verwachsen sind, und zu einer kleinen Holle verlängerten Hinterkopffedern. Der E. (Ufer-, Wasser-, Seespecht, Königsfischer, Martinsvogel, A. ispida L., s. Tafel »Klettervögel I«, Fig. 4) ist 17 cm lang, 27–28 cm breit, auf Oberkopf und Hinterhals grünschwarz, meerblau gebändert, Schultern, Flügeldecken und Außenfahne der braunschwarzen Schwingen dunkel meergrün, die mittlern Teile der Oberseite blau, die Unterseite und die untern Schwanz- und Flügeldecken rostrot, Kehle gelblichweiß, die seitlichen Schwanzdecken und die Schwanzfedern dunkelblau, der Fuß lackrot; er findet sich in ganz Europa, im nördlichen Asien bis Japan, auch in Indien, lebt bei uns einzeln an bewaldeten Flußufern und Bächen mit klarem Wasser, in den Alpen bis 1800 m, und bleibt, wenn das Wasser bei schnellem Lauf nicht zufriert, selbst im Winter, während er unter minder günstigen Verhältnissen bis Griechenland und Nordostafrika geht. Stets hält er sich sehr versteckt, fliegt reißend schnell über das Wasser hin, nährt sich von kleinen Fischen, Krebsen und Kerbtieren und ist sehr gefräßig. Er hackt an trocknen, schroffen Uferrändern ein 60 cm tiefes Loch von 5 cm Durchmesser, erweitert es am hintern Ende, pflastert es mit Fischgräten und legt hier im Mai oder Juni 6–7 sehr große, weiße Eier (s. Tafel »Eier I«, Fig. 1), die das Weibchen in 14–16 Tagen ausbrütet. Jung eingefangene Vögel gewöhnen sich leicht, alte nicht immer an die Gefangenschaft. Bei den Alten war der E. Gegenstand vieler Mythen und Fabeleien (vgl. Halkyone). Angeblich baute er sein Nest auf dem Wasser aus Fischgräten, versah es mit einer Tür, die nur er zu öffnen vermochte, und brütete im Dezember an heitern Tagen (halkyonische Tage, die 14 Tage um die Wintersonnenwende, um welche Zeit das Meer ohne Stürme zu sein pflegt). Das Weibchen sollte dem Männchen mit treuer Liebe anhängen, es im Alter mit sich herumtragen und bis zum Tode füttern, aber nach dem Tode des Männchens unter kläglichem Gesang ebenfalls sterben. Der tote E. sollte den Blitz ablenken, Frieden in das Haus, Windstille aufs Meer bringen und wurde gleichsam als Kompaß benutzt; daher verglich Shakespeare die Hofschranzen mit dem E., der in seinen Bewegungen der Richtung des Windes folgt. Er ist als winterlicher Vogel dem heil. Martin, dem[575] heiligen Totengräber, geweiht und bestreut bei Shakespeare unbegrabene Leichen mit Totenblumen. – Im Pelzhandel versteht man unter E. das pelzähnliche Gefieder des Eistauchers.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 575-576.
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