Estrées

[132] Estrées (spr. eßtrē', seltener etrē'), uraltes franz. Adelsgeschlecht, das seinen Namen von einem Landgut in der Nähe von Arras führt. Ausgezeichnet sind:

1) Gabrielle d ', Geliebte Heinrichs IV. von Frankreich, Tochter des Großmeisters der Artillerie Antoine d' E., des tapfern Verteidigers von Noyon 1593, geb. um 1570, gest. 10. April 1599 in Paris, schön und geistreich, ward 1590 Geliebte des Königs. Des Scheines wegen vermählte er sie mit d'Amerval de Liancourt, welche Ehe bald wieder getrennt wurde, da der König beabsichtigte, sich von Margarete von Valois scheiden zu lassen und Gabrielle auf den Thron zu erheben. Zur Herzogin von Beaufort ernannt, starb Gabrielle jedoch an einer vorzeitigen Geburt. Sie hinterließ dem König drei Kinder, César und Alexander von Vendôme und Henriette Katharina, an den Herzog von Elbeuf vermählt. Ihre nach einer Handschrift der königlichen Bibliothek zu Paris erschienenen »Mémoires« (Par. 1829, 4 Bde.; neue Ausg. 1852) sind unecht. Vgl. Loiseleur, Ravaillac et ses complices (Par. 1873); Desclozeaux, Gabrielle d'E., marquise de Monceaux (das. 1889).

2) François Annibal d', Bruder der vorigen, geb. 1573, gest. 5. Mai 1670, hatte schon 1594 das Bistum Noyon erhalten, als er unter dem Namen eines Marquis de Coeuvres Kriegsdienste nahm, in denen er bald zum Generalleutnant emporstieg. 1624 erhielt er das Kommando der vereinigten Truppen von Frankreich, Venedig und Savoyen, um den Graubündnern das Veltlin zu sichern, wofür er 1626 den Marschallstab empfing. 1630 versuchte er vergeblich Mantua den Kaiserlichen zu entreißen und erhielt sodann den Oberbefehl über die Rheinarmee, an deren Spitze er 1632 Trier nahm. Von 1636–48 war er außerordentlicher Gesandter in Rom. Bei Ludwigs XIV. Thronbesteigung wurde das Marquisat Coeuvres zum Herzogtum E. erhoben. E. erreichte ein ungewöhnliches Alter, wie er denn noch im 93. Lebensjahr seine dritte Frau heiratete, und hinterließ »Mémoires de la régence de Marie de Médicis« (Par. 1666).

3) Jean, Graf d', Sohn des vorigen, geb. 1624, gest. 9. März 1707, diente zuerst unter Turenne, geriet aber in Gefangenschaft, in der er über zehn Jahre schmachtete. Vom König 1668 zum Befehlshaber der Seetruppen ernannt, kämpfte er mit Erfolg gegen die Barbaresken und die Holländer und wurde 1686 zum Vizekönig der amerikanischen Kolonien ernannt. 1688 züchtigte er Algier und focht 1691 glücklich gegen die Engländer.

4) Victor Marie, Herzog d', Sohn des vorigen, geb. 30. Nov. 1660, gest. 27. Dez. 1737, beteiligte sich als Schiffskapitän an seines Vaters Expeditionen nach Amerika, Tripolis und Algier, befehligte im März 1691 die Galeeren, welche die Einnahme von Villafranca, Nizza und Oneglia bewirkten, und bombardierte 1697 Barcelona und Alicante. 1701 zum Marschall von Frankreich und zum spanischen Granden erhoben, trug er wesentlich zum Seesieg bei Malaga (1704) bei. 1715 wurde er Präsident des Marinerats und Vizepräsident des Handelsrats und empfing 1734 die Auszeichnung eines ersten Marschalls von Frankreich.

5) Louis César Letellier, Chevalier de Louvois, Herzog d' E., Neffe des vorigen, geb. 2. Juli 1695, gest. 2. Jan. 1771, diente in Spanien, Böhmen, den Niederlanden, ward 1756 Marschall von Frankreich und erhielt im März 1757 den Oberbefehl der Armee in Deutschland. Er schlug 26. Juli den Herzog[132] von Cumberland bei Hastenbeck, mußte aber infolge von Hofkabalen sein Kommando an den unwürdigen Herzog von Richelieu abgeben. 1762 übernahm er nochmals mit Soubise das Kommando der Hauptarmee, ohne jedoch mit seinem unfähigen Gefährten etwas auszurichten. Mit ihm erlosch der Name E.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 132-133.
Lizenz:
Faksimiles:
132 | 133
Kategorien: