Feuersichere Baukonstruktionen

[510] Feuersichere Baukonstruktionen, Konstruktionen, die den bei einem Schadenfeuer sich entwickelnden Hitzegraden zu widerstehen vermögen. a) Mauern und Türen. Der Massivbau ist an Feuersicherheit dem Fachwerks- und Holzbau überlegen. Gutes Ziegelmauerwerk widersteht dem Feuer besser als Sand- und Kalkstein. Granit verhält sich am ungünstigsten, er springt, besonders wenn er Feuchtigkeit enthält oder angespritzt wird, leicht im Feuer. Die Widerstandsfähigkeit von Betonmauern hängt wesentlich von der Güte der Herstellung und des verwendeten Zements ab. Über Brandmauern s.d. Die in ihnen anzulegenden Öffnungen müssen feuersichere Türen erhalten. Die bisher übliche Ausführung solcher aus Eisenblech ist unzweckmäßig. Das Eisenblech wird glühend und wirft sich, so daß die Stichflamme hindurchleckt. Viel besser sind einfache Holztüren, beiderseitig mit Blech beschlagen. Holztüren mit durchgehender Eisen- oder Stahlblecheinlage werden zugleich wegen ihres guten Aussehens und der Sicherheit gegen Einbruch in Geschäftshäusern bevorzugt. Starke Bohlentüren verhindern die Weiterverbreitung eines Feuers auf längere Zeit. Als Zuwerfvorrichtung für feuersichere Türen haben sich Federn wenig bewährt. Besser sind schräge Aufhängung, so daß die Tür durch das eigne Gewicht zufällt, und ähnliche Konstruktionen. Eisenfachwerkwände (s. Eisenbau) sind um so feuersicherer, je mehr das Eisen gegen den unmittelbaren Angriff der Stichflamme geschützt wird. Von den Holz- und Bretterwänden ist die ungehobelte Lattenwand am leichtesten entflammbar. Eine volle Brettwand wird durch Behobeln etwas geschützt. Die geputzte Brettwand widersteht dem Feuer längere Zeit, besonders wenn entsprechende Putzverfahren, z. B. der Döringsche feuersichere Patentputz, angewendet werden. Monier- und Zementdrahtputzwände, Asbestzement mit Eiseneinlage, auch Wände aus Zementplatten ohne Eiseneinlage widerstehen dem Feuer länger als solche aus Kalk- und Gipsmörtel (s. Gipsdrahtbau). Sie werden daher auch wohl zu Außenwänden in Eisenfachwerkgebäuden verwendet. Gipsdielen, Schilfbretter und Spreutafeln (s.d.) brennen nicht und werden deshalb geeignetenfalls zu Scheidewänden, bei provisorischen Bauten auch zu Außenwänden benutzt. Das Gleiche gilt von Magnesitplatten (s.d.).

b) Pfeiler und Säulen sind am dauerhaftesten im Feuer, wenn sie aus Klinkern in Zementmörtel gemauert werden. Von Hausteinen bewährt sich der Tuffstein am besten. Säulen aus Sandstein, Kalkstein und Granit sind am wenigsten widerstandsfähig. Hölzerne Stützen brennen zwar, bleiben aber tragfähig, bis der innerste Kern verbrannt ist. Besonders feuersicher sind starke eichene Pfosten. Eiserne Stützen haben nicht die große Widerstandsfähigkeit gegen Feuer, die man früher annahm. In Eisen konstruierte Häuser sind vielfach durch Feuer fast vollständig vernichtet worden In Gebäuden mit größern Mengen brennbarer Stoffe ist eine glutsichere Ummantelung der eisernen Säulen und Unterzüge daher kaum zu umgehen. Hierzu verwendet man in Amerika meist gebrannte Tonplatten, in Deutschland Ummauerung mit Schamotte- oder porösen Steinen, Rabitzputz, Monierputz, Asbestputz auf Drahteinlage etc.

c) Decken und Fußböden. Gewölbte Decken mit massiven Widerlagern, wie solche seit Jahrhunderten Verwendung gefunden haben, bieten nicht nur große Feuersicherheit, sondern gestatten auch die wünschenswerte architektonische Ausbildung des Innenraums. Sie werden immer da vorzuziehen sein, wo die Widerlager leicht geschaffen werden können und die Kosten verfügbar sind. Gewölbe zwischen eisernen Trägern, von denen nur die eisernen Unterflanschen freiliegen, sind genügend feuerfest. Ihre Anwendung eignet sich für Fabriken, Lagerhäuser u. dgl. Eiserne Unterzüge müssen glutsicher ummantelt werden. Wellblechdecken müssen, um feuersicher zu sein, in den Wellen oben mit Beton ausgefüllt werden und noch mindestens eine 5 cm starke Betonüberdeckung erhalten. Gipsgußdecken nach französischen Vorbildern mit Eiseneinlage sind zurzeit durch die Stampfbetondecken fast vollständig verdrängt. Diese haben ebenso wie die Zementeisendecken außer der Feuersicherheit noch den Vorzug, auch für das Löschwasser undurchlässig zu sein. Bei den Rabitzdecken ist die Feuersicherheit zwar geringer als bei vorgenannten Bauweisen, dafür ist die Herstellung bequemer und billiger; diese Konstruktion eignet sich besonders zur Überdeckung weit gespannter Räume mit einer leichten, unverbrennlichen Decke. Gipsdielen werden als Ersatz der gewöhnlichen Lehmstakung in Balkendecken und auch als Einschubdecke zwischen Eisenträgern verwendet. Sie übertreffen die Holz- und Lehmstakung jedenfalls an Feuersicherheit, besonders wenn die Dielen bündig mit der Unterkante der Balken verlegt werden. Ziegel- oder Schwemmsteine mit Eiseneinlage nach dem System Kleine und verwandte Konstruktionen können auch als feuersicher gelten. Hölzerne Balkendecken mit Einschubdecke und Deckenputz leisten bei guter Ausführung dem Feuer immerhin längere Zeit Widerstand und genügen bei gewöhnlichen Wohnhäusern sehr wohl den Anforderungen an Feuersicherheit. Als feuersichere Fußböden verwendet man Pflaster aus gebrannten Fliesen, aus natürlichen Steinen, aus Zementfliesen, Glasfliesen etc., ferner Estriche aus Gips, Kalk, Zement, Asphalt, Terrazzo etc.

d) Dächer. Für Dächer ist die Feuersicherheit einmal erforderlich, um das Haus von außen gegen Übertragung des Feuers zu schützen, außerdem um das Durchbrennen eines Feuers von innen möglichst lange aufzuhalten. Nicht feuersicher sind Holzschindel-, Stroh-, Rohr- und Schilfdächer. Als feuersicher gelten alle sogen. harten Bedachungen: Ziegel, Schiefer, Holzzement und alle Metalldeckungen. Ein Glasdach gilt auch als feuersicher, widersteht jedoch den größern Hitzegraden einer Stichflamme nicht. Dagegen leisten Platten aus sogen. Drahtglas (s.d.) auch den stärksten bei Bränden vorkommenden Hitzegraden Widerstand. Eiserne Dachstühle haben hinsichtlich der Feuersicherheit nur Wert, wenn sie ohne Zuhilfenahme hölzerner Konstruktionsteile ausgeführt werden.

e) Treppen. Die Treppenhäuser sind die natürlichen Rückzugswege der Hausbewohner bei ausbrechendem Feuer und diejenigen Stellen des Gebäudes, von dem aus die Feuerwehr meistens ihren Angriff gegen[510] das Feuer richtet. Für erstgenannten Zweck ist die Treppe nur so lange brauchbar, als sie nicht von Rauch und Qualm erfüllt ist. Daher ist eigentlich mehr Gewicht auf einen rauchsichern Abschluß eines Treppenhauses gegen die Nachbarräume und besonders den Keller als auf die feuerfeste Ausführung der Treppenstufen selbst zu legen, und es stehen hölzerne Treppen, besonders wenn sie auf der Unterseite geputzt sind, den massiven und eisernen Treppen hinsichtlich der Feuersicherheit wenig nach. Freitragende Steintreppen aus Granit sind wenig feuersicher, die Granitstufe wird durch die Hitze und die nachfolgende Abkühlung des Löschwassers zum Springen gebracht und kann im Herabfallen noch gefährlich werden. Besser hält sich in diesem Falle Sandstein. Die im Feuer am besten bewährte freitragende Stufe ist die aus Kunstsandstein (Zementbeton mit einer Eiseneinlage). Gewölbte Treppen mit von Podest zu Podest reichenden steigenden Kappen und aufgemauerten, mit Holz belegten Stufen bewähren sich, da hier nur die Unterflanschen der Podestträger freiliegen, im Feuer gut. Reichere und größere Treppenanlagen verlangen Unterwölbung mit darüber verlegten Steinstufen. Eiserne Treppen werden jetzt vornehmlich aus Schmiedeeisen gearbeitet und gelten, wenn sie undurchbrochen sind, als feuersicher, auch wenn die Trittstufen aus Holzbelag hergestellt werden. Tatsächlich haben sie vor hölzernen Treppen jedoch nur den Vorteil, daß sie selbst nicht brennen. In neuerer Zeit hat man auch feuerfeste Treppen aus Betonplatten zwischen Eisenträgern und in Monierbauweise hergestellt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 510-511.
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