Granville [3]

[232] Granville (spr. grännwill), 1) G. Leveson-Gower, Graf, engl. Diplomat, geb. 12. Okt. 1773, gest. 8. Jan. 1846, Sohn des Marquis G. von Stafford, trat 1795 ins Parlament und war 1800–02 unter Pitt Lord des Schatzes. Als Pitt 1804 wieder Minister wurde, ging G. als Gesandter nach Rußland, um den Vertrag abzuschließen, der den Feldzug von 1805 herbeiführte. 1815 wurde er zum Viscount und Peer ernannt und als Gesandter in den Niederlanden beglaubigt; von 1824–41 warer englischer Gesandter in Frankreich, wo er ein gutes Einvernehmen mit der Juliregierung unterhielt. 1833 wurde er zum Baron Leveson und Grafen G. erhoben.

2) George Leveson-Gower, Graf, Sohn des vorigen, geb. 11. Mai 1815, gest. 31. März 1891, studierte in Oxford und ward darauf seinem Vater als Attaché beigegeben. 1836 trat er ins Parlament und war von 1840–41 Unterstaatssekretär im Ministerium des Auswärtigen. Als die Whigs 1846 wieder aus Ruder kamen, erhielt G., inzwischen durch den Tod seines Vaters in das Oberhaus berufen, die Stelle eines Oberjägermeisters, wurde zu Ende dieses Jahres Eisenbahnkommissar und 1848 Vizepräsident des Handelsamtes und Zahlmeister der Armee. In der Kommission für die Weltausstellung von 1851 führte er den Vorsitz, ward darauf im Dezember 1851 Palmerstons Nachfolger als Minister des Auswärtigen, nahm aber schon 21. Febr. 1852 beim Fall des Whigministeriums seine Entlassung. Nachdem noch vor Ende des Jahres auch Derby gestürzt war, übernahm G. in dem Koalitionskabinett Aberdeen das Präsidium des Geheimen Rats. 1854 gab er dieses Amt an Russell ab und blieb als Kanzler des Herzogtums Lancaster im Ministerium, bis er im Februar 1855 von neuem Präsident des Geheimen Rats wurde. 1856 ging er als außerordentlicher Gesandter zur Kaiserkrönung nach Moskau. In dem neuen Ministerium Palmerston-Russell übernahm er 1859–66 abermals die Stelle als Präsident des Geheimen Rats. 1862 war er Präsident der Kommission für die zweite Weltausstellung. In das im Dezember 1868 gebildete Kabinett Gladstones trat G. anfangs als Minister der Kolonien ein und wurde im Juni 1870 nach Clarendons Tode wiederum Minister des Auswärtigen. Während des deutsch-französischen Krieges proklamierte er strenge Neutralität, hinderte aber nicht, daß englische Kaufleute Frankreichs Flotte mit Kohlen und seine Heere mit Waffen versorgten. In der Frage der Neutralität des Schwarzen Meeres erlitt die von ihm vertretene auswärtige Politik Englands 1871 Rußland gegenüber eine schwere Niederlage. 1874 mit Gladstone zurückgetreten, führte G. 6 Jahre lang die liberale Opposition im Oberhaus und übernahm im April 1880 unter Gladstone abermals das auswärtige Ministerium. G. verhinderte die Fehler nicht, durch die England in Ägypten und Afghanistan in eine schwierige Lage geriet und von Europa sich gänzlich isolierte. Er trat im Juni 1885 mit Gladstone vom Ministerium zurück, übernahm sodann in dessen neuer Regierung vom Januar 1886 ab das Ministerium der Kolonien, trat aber schon im Juli mit dem ganzen Ministerium abermals zurück und blieb von da an pis zu seinem Tode Führer der Opposition im Hause der Lords.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 232.
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