Kartoffeltrocknung

[698] Kartoffeltrocknung. Kartoffeln enthalten etwa 80 Proz. Wasser und in diesem gelöst, leicht veränderliche Stoffe; sie erleiden deshalb bei der Aufbewahrung stets erhebliche Verluste (s. Kartoffel, S. 691) und außerdem mindert der hohe Wassergehalt die Versandfähigkeit, die Kartoffeln ertragen nicht die Transportkosten. Diese Übelstände können durch Trocknen der Kartoffeln beseitigt werden, doch ist dabei Bedingung, daß die Kosten namentlich für den Großbetrieb innerhalb gewisser Grenzen bleiben.

Fig. 1. Längendurchschnitt.
Fig. 1. Längendurchschnitt.
Fig. 2. Ansicht von oben. Fig. 1 u. 2. Kartoffeltrocknungsapparat von Venuleth u. Ellenberger.
Fig. 2. Ansicht von oben. Fig. 1 u. 2. Kartoffeltrocknungsapparat von Venuleth u. Ellenberger.

Ein Preisausschreiben des Vereins der Spiritusfabrikanten in Deutschland hat zu dem Ergebnis geführt, daß das Trocknen mit Dampf für den Großbetrieb nicht anwendbar ist, daß aber das Trocknen mit den Heizgasen der Feuerung, die mit mehr oder weniger Luft gemischt werden, befriedigende Resultate gibt. Bei dem Apparat von Venuleth u. Ellenberger in Darmstadt (Fig. 1 u. 2) liegen in etwa vier Etagen je 15 geneigte Transportschnecken a nebeneinander, die völlig unabhängig voneinander arbeiten. Sie rotieren nach gleicher Richtung, ihre Schneckengänge sind aber abwechselnd links- und rechtsgängig. Die Feuergase treten durch eine gemeinschaftliche Kammer b an der höchsten Stelle des Systems ein und ziehen an der tiefsten Stelle in eine gemeinsame Staubkammer c, die mit einem Exhaustor verbunden ist. Die geschnitzelten Kartoffeln gelangen aus einem Einfüllkasten e mit Verteilungsschnecken f in die ersten Schnecken jeder Etage, durchwandern sie langsam und treten am entgegengesetzten Ende in die zweite Schnecke, aus dieser oben in die dritte etc., so daß die Schnitzel unter beständigem Umrühren durch die Schneckenflügel den ganzen Weg durch alle Schnecken einer Etage machen (15×3 = 45 m), während sie beständig von den Heizgasen umspült werden. Letztere werden auf einem Treppenrost g aus Koks erzeugt, sind völlig rauchfrei und werden zur Regulierung der Temperatur auf 240–280° mit Luft gemischt. Sie folgen der Saugwirkung des Exhaustors, kommen, durch entsprechend angebrachte Prellbleche gelenkt, in innigste Berührung mit den Schnitzeln und werden schließlich mit einer Temperatur von 60° ins Freie geblasen. Die trocknen Schnitzel fallen aus der letzten Schnecke in eine Sammelschnecke h, die sie weiterbefördert. Die Schnecken, die fünf Umdrehungen in 1 Minute machen, werden durch Gelenkketten von einer einzigen Vorlegewelle aus angetrieben. Der abgebildete Apparat mit 60 Schnecken trocknet in 1 Stunde 1000 kg Kartoffeln, deren Trokkenschnitzel 250–300 kg wiegen. Der Kraftverbrauch beträgt etwa zwölf Pferdestärken; zur Bedienung sind zwei Männer erforderlich. Durch Vermehrung oder Verminderung der Etagen kann der Apparat für größere oder geringere Leistungen hergerichtet werden. Knauer benutzt zum Trocknen der Kartoffeln den etwas abgeänderten Mackensenschen Schnitzeltrocknungsapparat mit einer rotierenden Trommel, in der die Kartoffelschnitzel mit den Heizgasen in direkte Berührung kommen. Der Apparat kann in 12 Stunden 700 Ztr. und mehr Kartoffeln trocknen. Zum Trocknen der Kartoffeln mit Dampf haben Venuleth und Ellenberger einen Apparat konstruiert, bei dem die gedämpften Kartoffeln in einen Trichter a (Fig. 3) gebracht, von den beiden rotierenden Quetschwalzen b b zerquetscht werden und auf die im Innern mit Dampf geheizten und gegeneinander rotierenden Hohlwalzen c c fallen. Die heißen Mantelflächen der Walzen bedecken sich mit einer ganz dünnen Kartoffelschicht, die während der Umdrehung der Walzen trocknet und von den Abstreichmessern d d abgeschabt wird. Das Trockenprodukt wird in einer mit Transportrührwerk e versehenen Mulde f aufgefangen. Die Schalenreste werden später abgesiebt, und wenn das Produkt für Menschen benutzt werden soll (Wiener Feinbäckerei), so wird es gemahlen (Kartoffelmehl).

Die getrockneten Kartoffeln enthalten stickstoffhaltige Substanzen 7,1 Proz. (Mais 10,1), stickstofffreie 71,4 Proz. (Mais 68,6), Fett 0,3 Proz. (Mais 4,7). Der Fettgehalt des Maises wirkt weder bei der Mast (namentlich bei den Schweinen) noch bei der Milchwirtschaft sehr günstig, er gibt geringwertigen Speck und[698] beeinträchtigt die Qualität der Butter. Füttert man zum Ersatz des geringern Gehalts an stickstoffhaltigen Substanzen neben den getrockneten Kartoffeln etwas Baumwollsamenmehl, so ist die Möglichkeit gegeben, den Mais für die Viehfütterung zu entbehren.

Fig. 3. Dampftrocknungsapparat.
Fig. 3. Dampftrocknungsapparat.

Gegenwärtig werden in Deutschland etwa 22 Mill. Ztr. Mais verfüttert und dies entspricht annähernd dem Verlust, den die Landwirtschaft bisher beim Aufbewahren der Kartoffeln erlitt. Fütterungsversuche mit getrockneten Kartoffeln haben ergeben, daß dieselben vom Vieh gern genommen und ebensogut ausgenutzt werden wie die frischen. Sie sind offenbar gesünder als frische, und man kann davon mehr verfüttern als von letztern. Endlich eignet sich die getrocknete Kartoffel auch recht gut zur Hefefabrikation.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 698-699.
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