Kommune von Paris

[331] Kommune von Paris (Pariser Kommune), Bezeichnung für die revolutionären Gegenregierungen in Paris zur Zeit der großen Revolution und besonders am Ausgang des deutsch-französischen Krieges 1870/71. Indessen war die Kommune von 1792 nicht das erste Beispiel, daß die Pariser Stadtverwaltung eine revolutionäre Stellung im Staat einnahm. Schon 1357 und 1358 beherrschte der Pariser Bürgermeister Etienne Marcel monatelang das Reich vermittelst der vorzüglich organisierten und bewaffneten Pariser Kommune. 1411 erlangte der Pariser Pöbel, militärisch geordnet, eine maßgebende Stellung unter dem Fleischer Caboche und dessen Anhängern, den Cabochiens. Die Pariser Kommune von 1792 war eine ungeregelte Schreckensherrschaft, womit der Pariser Gemeinderat auf den Konvent drückte. Die revolutionäre Kommune begann mit dem Aufstand vom 10. Aug. 1792 und übte seitdem einen immer steigenden Einfluß aus, den sie dazu verwandte, einerseits vermittelst von ihr aufgenommener Anleihen billige Nahrungsmittel zu verteilen, anderseits die ihr feindlich gesinnten Girondisten aus dem Konvent zu verdrängen. Als ihr dies 2. Juni 1793 gelungen war, stand sie auf dem Höhepunkt ihrer Macht, die nach dem gewaltsamen Tode von Marat, Hébert und Chaumette allmählich zurückging, aber erst mit Robespierres Sturz (9. Thermidor, 27. Juli 1794) völlig gebrochen wurde.

An diese Zustände knüpfte die Kommune von 1871 geistig an. Ein Bündnis der großen Städte Frankreichs sollte die Grundgestalt des politischen Daseins bilden, um so die Unterdrückung der städtischen Elemente durch das platte Land unmöglich zu machen. Paris wollte sich so ziemlich als selbständigen Staat konstituieren und nur in den unumgänglich gemeinsamen Angelegenheiten föderative Verbindungen eingehen. Dies waren die leitenden Gesichtspunkte der Kommunalisten, die sich aus den gebildetern Klassen rekrutierten. Ihnen standen die Proletarier als Kommunisten gegenüber, die ihr Augenmerk auf die Umwälzung der Eigentumsverhältnisse richteten. Der innere Kampf zwischen den Kommunalisten und Kommunisten bildet die verworrene Geschichte der Pariser Kommune (s. Paris), die am 18. März 1871 mit der Erhebung der Nationalgarde und der Ermordung der Generale Thomas und Lecomte begann und Ende Mai nach heftigen, blutigen Kämpfen unterdrückt wurde; 6500 Kommunarden wurden 20. bis 30. Mai getötet, 38,578 verhaftet. Vgl. B. Becker, Geschichte der revolutionären Pariser Kommune 1789–1794 (Braunschw. 1875) und Geschichte und Theorie der Pariser revolutionären Kommune des Jahres 1871 (Leipz. 1879); du Camp, Les convulsions de Paris (8. Aufl., Par. 1897, 4 Bde.); Morin, Histoire critique de la Commune (das. 1871); Laufer, Unter der Pariser Kommune, ein Tagebuch (Leipz. 1879); v. Meerheimb, Geschichte der Pariser Kommune (Berl. 1880); Lissagaray, Geschichte der K. von 1871 (2. Aufl., Stuttg. 1892; illustrierte Ausg., mit Nachtrag von St. Mendelson, 1894); v. Holleben, Die Pariser Kommune 1871 unter den Augen der deutschen Truppen (Berl. 1897); W. Cahn, Pariser Gedenkblätter (das. 1898, 2 Bde.); Da Costa, La Commune vécue (Par. 1903–04, 2 Bde.); Paul u. Victor Margueritte, Une époque. La Commune (das. 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 331.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: