Lérmontow

[436] Lérmontow, Michail Jurjewitsch, einer der größten russ. Dichter, geb. 15. (3.) Okt. 1814 in Moskau als Sohn eines Obersten a. D., gest. 27. (15.) Juli 1841 im Kaukasus, erhielt, nachdem seine Mutter Maria Michajlowna, geborne Arßenjew, 1817 im Alter von 21 Jahren gestorben war, im Hause seiner Großmutter Jelissaweta (Elisabeth) Alexejewna Arßenjew in Tarchany (Kreis Tschembary, Gouv. Pensa) eine sorgfältige Erziehung und gründlichen Unterricht in den modernen Sprachen, machte im 11. Lebensjahr nach überstandener schwerer Krankheit mit seiner Großmutter eine Reise nach einem Badeort im Kaukasus, kam 1828 in die Universitätspension für Adlige zu Moskau und bezog im April 1830 die dortige Universität. Wegen eines Jugendstreichs relegiert, ging er 1832 nach Petersburg und trat in die Junkerschule ein, von wo aus er 1834 als Offizier in das Leibgardehusarenregiment kam, ward aber infolge eines racheheischenden Gedichts auf den Tod Puschkins, eines seiner berühmtesten Gedichte, betitelt: »Na smert' poeta« (»Auf den Tod des Dichters«), 1837 als Fähnrich in ein Dragonerregiment nach dem Kaukasus geschickt. Zwar wurde er, nach ein paar Monaten begnadigt, zuerst in ein Grodnoer und im April 1838 in sein ursprüngliches Regiment zurückversetzt, doch mußte er 1840 infolge eines Duells mit dem Sohne des französischen Botschafters Barante (1. März [18. Febr.]) zum zweitenmal in den Kaukasus wandern, wo er in einem Infanterieregiment an den Kämpfen gegen die Tschetschenzen teilnahm. Noch Ende des Jahres erhielt er die Erlaubnis, auf einige Zeit nach Petersburg zurückzukehren, woselbst er bis April 1841 blieb. Auf der Rückreise nach dem Kaukasus wurde er in Moskau mit Fr. v. Bodenstedt bekannt, der in der Folge Lermontows Gedichte ins Deutsche übersetzte und eine Charakteristik Lermontows: »Erinnerungen an L.«, schrieb. Gleich nach seiner Rückkehr in den Kaukasus nahm L. Urlaub nach dem Badeort Pjatigorsk, in dessen Nähe ihm bald darauf ein zweites Duell den Tod brachte; die Kugel seines Gegners Martynow, eines Kollegen und Schulfreundes, traf ihn mitten ins Herz. Sein Leichnam wurde im März 1842 auf das Gut seiner Großmutter gebracht und dort bestattet. 1881 wurde in St. Petersburg ein eignes L.-Museum gegründet. In Pjatigorsk, unweit der Stelle, wo er fiel, wurde ihm 28. (16.) Aug. 1889 ein Denkmal errichtet. L. war ein begeisterter und äußerst talentvoller Anhänger und Mitstrebender Puschkins und gehörte zu den rein subjektiven Dichtern. Frühzeitig abgestumpft für jeden Lebensgenuß, ward er einer der bedeutendsten Vertreter Byronscher »Zerrissenheitspoesie«, die in seinen Dichtungen das rastlose Ringen eines einsamen, freien und vornehmen Geistes gegen den Druck einer unerbittlichen Autokratie offenbarte. L. ist bedeutend in der Lyrik und groß in der poetischen Erzählung; namentlich war es die großartige Gebirgswelt des Kaukasus, die ihn zu den schönsten und bedeutsamsten seiner Poesien begeisterte. Die vorzüglichsten seiner byronisch gefärbten, durch Kühnheit und Genialität der Behandlung hervorragenden epischen Gedichte, wie »Mcyri« (»Der Novize«), »Ismail Bey«, »Valerik«, »Hadži-Abrek«, »Kaznačejsa« (»Die Rentmeisterin«), »Der Dämon« etc., spielen fast alle im Kaukasus. Am originellsten aber erweist er sich in dem echt nationalen »Lied vom Zaren Iwan Waßiljewitsch, seinem Leibwächter und dem mutigen Kaufmann Kalaschnikow«, das Geist und Form altrussischer Volkspoesie mit naiver Treue wiedergibt. Sein vortrefflicher Roman »Geroj našego vremeni« (»Ein Het d unsrer Zeit«, mehrfach ins Deutsche übersetzt, so Berl. 1852, Wien 1856, auch in Reclams Universal-Bibliothek) ward Anlaß zu dem Zweikampf, der ihn das Leben kostete. Lermontows sämtliche Werke erschienen in zahlreichen Ausgaben; hervorzuheben ist die von I. N. Kuschnerew, mit Illustrationen von den ersten russischen Künstlern (Moskau 1891, 2 Bde.). Zahlreich sind auch die Abhandlungen über Lermontows Schriften. Ins Deutsche sind seine Gedichte wiederholt übertragen worden (auch in Reclams Universal-Bibliothek), am besten von A. Ascharin (Dorpat 1877; 2. Aufl., Reval 1885).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 436.
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