Leer

[318] Leer (L. in Ostfriesland), Kreisstadt im preuß. Regbez. Aurich, an der Leda, die nahebei in die Ems mündet, in fruchtbarer Marschgegend, hat 3 evang. Kirchen (darunter die schöne reformierte Kirche mit hohem Turm), eine katholische und eine mennonitische Kirche, eine Synagoge, ein neues Rathaus mit großem Festsaal und 50 m hohem Turm und (1900) 12,301 Einw., davon 1056 Katholiken und 273 Juden. L. hat eine Strohpappenfabrik, 3 Eisengießereien, eine Holzimprägnieranstalt, Schiffswerft, Maschinenfabrik, Fabrikation von Schrot, Genever, Likör, Seife, Tabak, Zigarren und Öl, Färberei, ein Holzsäge- und Hobelwerk, Bierbrauerei, Getreidemühlen etc. Der Handel, unterstützt durch eine Handelskammer (Sitz abwechselnd in L. und Emden), eine Börse, einen 1903 fertig gestellten Hafen, durch eine Reichsbanknebenstelle, die Ostfriesische Bank und andre Geldinstitute sowie durch mehrere Konsulate fremder Länder, ist besonders lebhaft in Getreide, Kolonialwaren, Landesprodukten, Butter, Käse, Holz, Rindvieh und Pferden. Alljährlich finden hier 50 Vieh-, 16 Schweine- und 5 Pferdemärkte statt. Die Handelsflotte zählte 1903: 29 Schiffe mit 1818 Registertonnen Raumgehalt. 1903 kamen im dortigen Hafen an 403 Seeschiffe (davon 168 Dampfschiffe) zu 48,732 Registertonnen Raumgehalt, es gingen ab 406 Seeschiffe (davon 165 Dampfschiffe) zu 48,825 Registertonnen Raumgehalt. Die Binnenschiffahrt bezifferte sich auf 2539 angekommene und 2531 abgegangene Schiffe. Lebhaft ist auch der Schiffsverkehr während des Sommers nach den Nordseebädern Borkum und Norderney. Für den Eisenbahnverkehr ist die Stadt Knotenpunkt der preußischen Staatsbahnlinie Münster-Emden und der oldenburgischen Linie Bremen-Neuschanz sowie der Kleinbahn Aurich-L. L. hat ein Realgymnasium (verbunden mit Gymnasium), eine Navigationshauptschule, ein Amtsgericht, Hauptsteueramt und Seemannsamt. Die städtischen Behörden zählen 7 Magistratsmitglieder und 16 Stadtverordnete. Der nahe, 25 m hohe Plitenberg, ein künstlicher Hügel, ist wahrscheinlich eine alte heidnische Opfer- und Gerichtsstätte. An der Mündung der Leda in die Ems liegt das Dorf (früher Festung) Leerort mit 230 Einw. (meist Lotsen und Fischer). – L. ist wahrscheinlich einer der ältesten Orte der Provinz. Es war Residenz der Häuptlinge des Moormerlandes, wurde 1431 dem Focke Ukena durch Enno von Gretsyl entrissen und kam so an Ostfriesland. L. erhielt 1823 Stadtrecht.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 318.
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