Ostfriesland

[216] Ostfriesland, ehemaliges Fürstentum im westfälischen Kreis des Deutschen Reiches, bildet mit dem Harlingerland (s. d.) jetzt den preuß. Regbez. Aurich (s. d. und die Karten »Hannover« und »Oldenburg«). Zur Römerzeit saßen an der Küste von der Ems bis zur Elbe die Chauken, seit dem 5. Jahrh. die Friesen, die, im 8. Jahrh. von den Franken unterworfen, seit 870 dem Ostfränkischen Reich angehörten. O., ursprünglich das Land zu beiden Seiten der Emsmündung, umfaßte die holländische Provinz Groningen, das preußische O. und das oldenburgische Jever und teilte bis in die Mitte des 14. Jahrh. die Geschicke Mittelfrieslands (s. Friesen, S. 151).

Wappen des Fürstentums Ostfriesland (1682). 1 Cirksena, 2ten Brook, 3 Manslagt, 4 Ukena, 5 Esens, 6 Wittmund.
Wappen des Fürstentums Ostfriesland (1682). 1 Cirksena, 2ten Brook, 3 Manslagt, 4 Ukena, 5 Esens, 6 Wittmund.

Unter den Häuptlingen, die seit dem 13. Jahrh. in O. emporkamen, erwarb die größte Macht Edzard Cirksena von Gretsyl um 1435. Sein Bruder Ulrich wurde 1454 Reichsgraf und erhielt von Friedrich III. das Butjadinger- und Stad land und Jever zu Lehen, hatte aber darum mit Oldenburg und den Häuptlingen von Jever zu kämpfen. Graf Edzard I. (1491–1528) zwang die Häuptlinge von Harlingerland und Jever zur Anerkennung seiner Oberherrschaft und ward von Karl V. zum Statthalter von Groningen bestellt, mußte aber das Butjadinger- und Stadland an Oldenburg abtreten. Er gab das ostfriesische Landrecht (1515), ward evangelisch und führte die Primogenitur ein. Enno III.[216] schloß 1611 mit den Ständen den osterhusischen Vergleich, der noch unter der preußischen Regierung das Fundamentalgesetz der ostfriesischen Verfassung bildete. Enno Ludwig (1648–60) wurde vom Kaiser Ferdinand III. (1654) in den Reichsfürstenstand erhoben. Als mit Karl Edzard 1744 die männliche Linie des Cirksenaschen Regentenstammes erlosch, erhob die Tante des verstorbenen Fürsten, Friederike Wilhelmine, Erbanspruch; aber auf Grund der vom Kaiser Leopold I. 1694 dem Kurhaus Brandenburg erteilten Anwartschaft ließ Friedrich II. 7. Juni 1744 Aurich von einem preußischen Korps besetzen, worauf 23. Juni das Land der preußischen Krone huldigte. Nach der Schlacht bei Jena (1806) wurde O. von holländischen Truppen besetzt und 1807 nach dem Frieden von Tilsit dem Königreich Holland einverleibt, 1810 aber als Departement der Ostems zum französischen Kaiserreich gezogen. Am 17. Nov. 1813 ward O. für Preußen in Besitz genommen, 1815 aber an Hannover abgetreten, mit dem es 1866 wieder unter preußische Herrschaft gelangte. Vgl. Wiarda, Ostfriesländische Geschichte (Aurich, Götting. u. Brem. 1791–1817, 10 Bde.); Suur, Geschichte der Häuptlinge Ostfrieslands (Emden 1846); Perizonius, Geschichte Ostfrieslands (Weener 1868–69, 4 Bde.); Arends, O. und Jever (Emden 1820, 3 Bde.); Franz, O. und die Niederlande zur Zeit der Regentschaft Albas 1567–73 (das. 1895); »Ostfriesisches Urkundenbuch«, herausgegeben von Friedländer (das. 1874–81, 2 Bde.); Cornelius, Der Anteil Ostfrieslands an der Reformation (Münst. 1852); Herquet, Miszellen zur Geschichte Ostfrieslands (Norden 1883); Houtrouw, O., eine geschichtlich-ortskundige Wanderung gegen Ende der Fürstenzeit (Aurich 1889–93, 2 Bde.); Dodge, From squire to prince, being a history of the rise of the house of Cirksena (Lond. 1901); Tjaden, Übersicht über die Geschichte Ostfrieslands (Emden 1904); H. Meier, O. in Bildern und Skizzen (Leer 1868); Kern und Willms, O., wie es denkt und spricht (3. Aufl., Brem. 1876); de Vries und Fock en, O., Land und Volk in Wort und Bild (Emden 1881); Poppe, Zwischen Ems und Weser. Land und Leute in Oldenburg und O. (Oldenb. 1888); Bielefeld, Flora der ostfriesischen Halbinsel (Norden 1900); Lübbers, Ostfrieslands Schiffahrt und Seefischerei (Tübing. 1903); Stockvis, Führer durch O. (Emden 1902). Vgl. auch Friesen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 216-217.
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