Polhöhe

[95] Polhöhe eines Ortes, die Höhe des Weltpols über dem Horizonte des Ortes, gemessen durch den Meridianbogen zwischen Pol und Horizont. Sie ist gleich der geographischen Breite des Ortes, und ihre Bestimmung bildet eine der Hauptaufgaben der geographischen Ortsbestimmung. Veränderungen der P. können eintreten durch Änderung der Richtung der Lotlinie oder der Rotationsachse der Erde, und zwar für letztere sowohl im Raum als innerhalb des Erdkörpers. Die durch Massenanhäufung oberhalb oder durch Massendefekte unterhalb der Erdoberfläche erfolgten Lotablenkungen (s. Erde, S. 907) bewirken daher eine Verschiedenheit der astronomisch bestimmten P. von der durch geodätische Übertragung bestimmten, doch ist die Störung für einen Ort im wesentlichen konstant und kann keine periodische Veränderung der P. hervorrufen. Eine periodische Veränderung der Lage der Rotationsachse der Erde im Raume wird durch die Attraktion der Sonne und des Mondes auf auf das abgeplattete Erdsphäroid hervorgebracht (s. Nutation). Ferner zeigte schon Euler, daß, falls die Rotationsachse nicht genau mit der Hauptträgheitsachse der Erde zusammenfällt, jene um die Hauptträgheitsachse sich mit einer Periode von 305 Tagen bewegen müsse. Versuche, die aus dieser Bewegung folgende Polhöhenveränderung durch astronomische Beobachtungen nachzuweisen, sind seit der Mitte des 19. Jahrh. mehrfach unternommen worden, jedoch ohne Erfolg; erst 1888 zeigte Küstner, daß nach seinen nach der Horrebow-Talcottschen Methode angestellten Beobachtungen von 1880–85 die P. in Berlin Schwankungen bis zum Betrag einer halben Bogensekunde gezeigt habe. Diese Erscheinung ist in den folgenden Jahren dann durch die Beobachtungen an verschiedenen Sternwarten, besonders in Berlin, Prag und Straßburg, bestätigt worden, und eine 1891 von der Internationalen Erdmessung nach Honolulu entsandte Expedition hat den Nachweis geliefert, daß diese Schwankungen der P. von einer Bewegung der Rotationsachse im Erdkörper selbst herrühren, indem die in Honolulu beobachteten Polhöhenschwankungen von gleichem Betrag, aber im entgegengesetzten Sinn waren, als die zu gleicher Zeit in Europa beobachteten. Einen unmittelbaren Überblick über die Bewegung[95] der Pole der Erdachse innerhalb der Zeit von 1890, 0–1896, 4 ergibt die Figur, die Albrecht aus den gleichzeitigen Beobachtungen der Breitenvariationen an einer großen Anzahl von Orten gezeichnet hat. Wie ersichtlich ist, hat die gesamte Schwankung sich innerhalb 6/10 Bogensekunden gehalten, und sind die stärksten Schwankungen 1890 und 1891 vorhanden gewesen, seitdem hat die Amplitüde abgenommen, nimmt aber seit 1901 wieder zu.

Bewegung der Pole der Erdasche in der Zeit von 1890,0–1896,4.
Bewegung der Pole der Erdasche in der Zeit von 1890,0–1896,4.

Da eine vollständige Erkenntnis der beobachteten Erscheinungen von höchstem Interesse ist, so hat die Internationale Erdmessung beschlossen, ein systematisches Studium der Bewegungen der Pole vornehmen zu lassen und sechs Stationen unter völlig gleicher Breite und in geeigneten geographischen Längen mit den vollkommensten Instrumenten und unter sorgfältiger Vermeidung aller Ursachen, aus denen eine systematische Beeinflussung der Resultate hervorgehen könnte, errichtet, um fortlaufende Polhöhenbeobachtungen anzustellen. Diese Stationen sind:

Tabelle

Sie liegen alle auf dem nördlichen Breitenparallel von 39°8' und sind seit Herbst 1899 in Tätigkeit. Seit 1906 ist auch eine ähnliche Kombination von Stationen auf der Südhalbkugel eingerichtet worden. Vgl. Albrecht, Resultate des internationalen Breitendienstes, Bd. 1 u. 2 (Berl. 1903 u. 1906).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 95-96.
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