Schularzt

[57] Schularzt, ein Arzt, der zur Vermeidung der gesundheitlichen Schäden, die der Schulbesuch für den heranwachsenden Körper oft genug im Gefolge hat, mit der Beaufsichtigung der Schule und der Schüler betraut ist. In den meisten europäischen Staaten zieht man heute zur Lösung schulhygienischer Fragen Ärzte, gewöhnlich Medizinalbeamte heran, so besonders bei allen Fragen, die sich auf die Hygiene des Schulgebäudes und der innern Einrichtung der Schule beziehen. Von einer allgemeinen Durchführung der gesundheitlichen Überwachung der Schuljugend ist man aber noch weit entfernt. In Deutschland, wo besonders der Allgemeine deutsche Verein für Schulgesundheitspflege die Schularztbewegung kräftig gefördert hat, sind zurzeit bereits in etwa 200 größern und kleinern Städten Schulärzte tätig. Für die meisten Städte war die Wiesbadener Schularzteinrichtung vorbildlich, die folgende Bestimmungen enthält: Untersuchung der nen eingetretenen Schüler auf Körperbeschaffenheit und Gesundheitszustand, um festzustellen, ob ein Schüler besonderer Überwachung oder Berücksichtigung beim Schulunterricht bedarf (z. B. Ausschluß vom Turnen, Anweisung bestimmter Plätze etc.). Für jedes Kind wird ein Gesundheitsbogen angelegt.[57] Alle 14 Tage hält der S. in der Schule eine Sprechstunde ab, in der er mehrere Klassen zu besuchen hat und Kinder, die deren bedürfen, einer genauen Untersuchung unterwirft. Bei den Besuchen hat der Arzt auch eine Revision der Schulräume und deren Einrichtung vorzunehmen. Die Behandlung erkrankter Schulkinder ist nicht Sache des Schularztes. Die Staatsbehörden haben sich bisher der Schularzteinrichtung gegenüber meist passiv verhalten. Nur im Herzogtum Sachsen-Meiningen und zum größten Teil im Großherzogtum Hessen sind staatliche Schulärzte tätig. In Sachsen-Meiningen hat jeder S. die ihm überwiesenen Schulen zweimal im Jahre zu besuchen, wobei die neu eingetretenen Schüler, und diejenigen, bei denen eine krankhafte Veränderung zu vermuten ist, untersucht und die Schulgebäude und -Einrichtungen besichtigt werden. An Mädchenschulen hat man Schulärztinnen angestellt (Breslau). In Frage steht noch die Heranziehung von Spezialisten (besonders Augenärzten) für die schulärztliche Untersuchung. Dem S. sollte auch ein Einfluß eingeräumt werden auf alle sonstigen mit der Schule in Verbindung zu bringenden hygienischen Einrichtungen (Anlegung von Schulbädern, Hilfsklassen, Kinderheilstätten u. dgl.) und auf die Unterrichtshygiene (Stundenplan, Pausen, Ferien, Einführung der Hygiene als Unterrichtsgegenstand). In engstem Zusammenhang mit der Schularztfrage steht eine hygienische Vorbildung der Lehrer, die diese befähigt, die Anforderungen des Schularztes verständnisvoll zu unterstützen. Vgl. Leubuscher, Staatliche Schulärzte (Berl. 1902) und Schularzttätigkeit und Schulgesundheitspflege (Leipz. 1907); Schubert, Das Schularztwesen in Deutschland (Hamb. 1905).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 57-58.
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