Schweineseuchen

[178] Schweineseuchen, einige verheerende, dem Schwein eigentümliche echte Infektionskrankheiten, die früher nicht wissenschaftlich unterschieden, wahrscheinlich auch in Deutschland, vielleicht auf dem ganzen Kontinent, nicht so verbreitet waren wie heute. Erst seit 1882 wurden diese Seuchen erforscht und auch ihre Erreger entdeckt. Heute ist festgestellt, daß es drei verschiedene Infektionskrankheiten sind: der Rotlauf, die Schweinepest und die eigentliche Schweineseuche. Die Schweineseuche wird durch sehr kleine Bakterien (Bacillus suisepticus, entdeckt 1882 von Löffler-Schütz) hervorgerufen, die als kurze dicke Stäbchen oder auch oval, selbst rund erscheinen (ovoide Bakterien), sich nur an beiden Enden (bipolar) färben, unbeweglich sind und keine Geißeln haben. Sie sind identisch mit den Erregern der Kaninchenseptichämie, Wild- und Rinderseuche und Geflügelcholera, mit denen zusammen die Schweineseuche eine Gruppe von Infektionskrankheiten, Septicaemia haemorrhagica (s. Septichämie), bildet. Schweineseuche ist sehr ansteckend und tritt in der Regel ursprünglich auf als eine herdweise Lungenentzündung, die sich häufig verbindet mit Brustfell- und Herzbeutelentzündung. Haupt symptom ist Husten, daneben zeigt sich ein Hautausschlag und Verklebung der Augenlider. Bisweilen verläuft die Schweineseuche als allgemeine Septichämie sehr rasch. Häufig kommt sie mit Schweinepest zusammen vor. Wie bei vielen Seuchen, die längere Zeit herrschen, nimmt die Schweineseuche, die jetzt seit langem in Deutschland sehr verbreitet ist, anscheinend immer allgemeiner einen mildern Charakter und daher chronischen Verlauf an, indem sie nicht mehr als akute (fibrinöse, nekrotisierende), sondern als chronische (katarrhalische) Lungenentzündung auftritt. Sie ist deswegen aber nicht weniger für die Schweinezucht verderblich, denn die davon vorzugsweise befallenen Ferkel kümmern, und gerade die chronische Form ist schwer in einem Bestande zu tilgen. Impfung wird ausgeführt, ergibt aber nicht durchschlagenden und unbestrittenen Erfolg. Die Schweineseuchebakterien kommen nämlich überall (ubiquitär) vor, und es bedarf besonderer Umstände, um ihnen eine krank machende (pathogene) Beschaffenheit (Giftigkeit) zu verleihen. Dabei scheinen sie verschiedenartig zu werden, so daß möglicherweise jeder Seuchen herd oder jede Gegend einen eigenartigen Bakterienstamm aufweist. Ein Schutzstoff, der von dem einen Stamm abgeleitet ist, scheint nur gegen diesen, nicht auch gegen andre zu schützen. Deshalb hat man sich bemüht, von möglichst vielen Seuchenherden die Bakterienstämme zu sammeln, zu kultivieren und sie vermischt zur Gewinnung von Schutzstoffen (s. Schutzimpfung) zu verwenden. Das so entstandene polyvalente Serum soll gegen viele Stämme, d. h. also in den meisten Fällen, wirksam sein. Namentlich werden damit vorbeugend die Ferkel oft mit gutem Erfolg geimpft. Das vom Seruminstitut Landsberg a. d. W. hergestellte Septizidin soll neben Schutzkraft auch Heilkraft haben. Die Schweineseuche stammt wahrscheinlich aus Amerika, wo sie als Swine-plague (Salmon) beschrieben worden ist. Die ebenfalls dort entdeckte Hog-cholera ist dagegen der Schweinepest gleich. Sie verbreitete sich dann in Dänemark, Deutschland, Frankreich und namentlich England (Swine-fever, Schweinefieber). Gegenwärtig ist sie in Deutschland außerordentlich verbreitet und bewirkte z. B. 1902 einen direkten Verlust von 36,000 Schweinen (allerdings in Verbindung mit der Schweinepest). Die Zahl der gestorbenen Schweine ist zwar nicht ganz so groß wie bei Rotlauf, dafür ist der indirekte, namentlich den Zuchten zugefügte Schade aber viel größer. Betreffs veterinärpolizeilicher[178] Maßregeln s. Schweinepest. Vgl. Grips, Glage und Nieberle, Die Schweineseuche (Berl. 1904); Beck und Koske, Untersuchungen über Schweineseuche (aus »Arbeiten aus dem kaiserlichen Gesundheitsamt«, das. 1905); Joest, Schweineseuche und Schweinepest (Jena 1906).

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 178-179.
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