Steen [2]

[882] Steen, 1) Jan, holländ. Maler, geb. 1626 in Leiden, begraben daselbst 3. Febr. 1679, war Schüler N. Knupfers in Utrecht und Jan van Goyens im Haag und bildete sich auch nach A. van Ostade und Frans Hals. 1648 ließ er sich in die Malergilde zu Leiden aufnehmen, und 1649 verheiratete er sich im Haag mit der Tochter des Jan van Goijen. Von 1654 bis 1658 wohnte er wieder in Leiden, dann bis 1669 in Haarlem, und 1672 erhielt er in Leiden die Erlaubnis, eine Schenke zu halten. S. ist der geistreichste und humorvollste der holländischen Genremaler, der auch eine scharfe gesellschaftliche Satire nicht scheut. Er malte biblische Darstellungen in sittenbildlicher, bisweilen auch humoristischer Auffassung (Hauptwerke: Simson unter den Philistern, in Antwerpen; Verstoßung der Hagar und Hochzeit zu Kana, in Dresden; Esther vor Ahasver, in St. Petersburg), zumeist aber Szenen aus dem mittlern und niedern Bürgerstand, in denen er die größte Feinheit und Mannigfaltigkeit der Charakteristik mit derbem, ausgelassenem, oft groteskem Humor zu verbinden weiß. Er liebt es, seinen figurenreichen Darstellungen eine moralische Tendenz unterzulegen oder durch sie ein Sprichwort oder eine allgemeine Wahrheit zu versinnlichen. Am besten ist er im Reichsmuseum zu Amsterdam[882] vertreten, wo sich ein St. Niklasfest, der Prinzentag, der berühmte Papageienkäfig, die kranke Dame mit dem Arzt, eine Tanzstunde und eine Darstellung des Sprichworts »Wie die Alten sungen, so zwitschern die Jungen« befinden. Von seinen übrigen Werken sind die hervorragendsten: die Menagerie und die Lebensalter (im Haag), die Unterzeichnung des Ehekontrakts (Braunschweig), das Bohnenfest (Kassel), der Streit beim Spiel und der Wirtshausgarten (Berlin) und die Hochzeit (St. Petersburg). In der koloristischen Durchführung seiner Bilder ist S. ungleich. Doch übertrifft er in seinen besten und sorgfältigsten Arbeiten alle Zeitgenossen an geistreicher, sein zusammengestimmter Färbung und meisterhafter Behandlung des Helldunkels. Eine photographische Nachbildung seiner Werke erschien Haarlem 1898 ff. in 40 Blättern. Vgl. T. van Westrheene, Jan S., étude sur l'art (Haag 1856); Rosenberg, Terborch und Jan S. (Bielef. 1897). – Sein Sohn Dirk soll sich als Bildhauer bekannt gemacht haben.

2) Johannes Wilhelm Christian, norweg. Staatsmann, geb. 22. Juli 1827 in Christiania, gest. 1. April 1906 in Vossevangen, 1850–91 in Bergen, Tromsö und Stavanger als Gymnasiallehrer, bez. Direktor tätig, gelangte im Storthing, dem er 1859 bis 1897 fast ununterbrochen angehörte und wo er 1881–88 sowie seit 1895 das Präsidium führte, rasch zu einer einflußreichen Stellung in der demokratischen Partei, war lange ein Anhänger Joh. Sverdrups (s. d.), stellte sich aber, als dieser ihn 1884 in sein neugebildetes Kabinett nicht aufnahm und eine gemäßigtere Politik einzuschlagen begann, an die Spitze der radikalen Opposition und wirkte, obwohl 1888 nicht ins Storthing gewählt, 1889 bei seinem Sturz entscheidend mit. Im März 1891 mit der Bildung eines Ministeriums betraut, vertrat er mit der ultraradikalen Storthingsmehrheit eine unionsfeindliche Politik, die sich zunächst auf die Abschaffung des gemeinsamen Konsulatswesens richtete. Als er im Mai 1893 zurücktrat, wurde er Mitdirektor der Norwegischen Bank und vom Storthing durch eine jährliche Nationalbelohnung von 6000 Kr. geehrt. Anfang 1898 abermals Präsident eines radikalen Kabinetts, setzte er die Einführung des allgemeinen direkten Wahlrechts und die der »reinen« norwegischen Flagge durch, nahm aber nach wiederholten Rekonstruktionsversuchen seines Ministeriums im April 1902 seine Entlassung.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 882-883.
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