Windthorst

[671] Windthorst, Ludwig. deutscher Politiker, geb. 17. Jan. 1812 in Osterkappeln bei Osnabrück, gest. 14. März 1891 in Berlin, wurde auf dem Carolinum in Osnabrück für den geistlichen Stand vorbereitet, studierte 1831–34 die Rechte, wurde Rechtsanwalt in Osnabrück, dann ritterschaftlicher Syndikus und vorsitzender Rat des katholischen Konsistoriums daselbst und 1848 Oberappellationsgerichtsrat in Celle. Seit 1849 Mitglied der hannoverschen Zweiten Kammer, im unterstützte W. die partikularistische, preußenfeindliche Politik Stüves, wurde 1851 als Führer der ministeriellen Partei Präsident der Kammer, 22. Nov. Justizminister und setzte die Errichtung des katholischen Bistums Osnabrück durch. 1853 schied er aus dem Ministerium und ward wieder Abgeordneter, 1862 in dem Ministerium Brandis-Platen Justizminister, unterstützte die Bemühungen Österreichs, Hannover an seine Politik zu ketten, und ward 21. Okt. 1865 Kronoberanwalt in Celle. Nach der Annexion von 1866 legte er sein Amt nieder und führte 1867 die Verhandlungen mit Bismarck über die Abfindung des Königs Georg, die mit dem Vertrage vom 29. Sept. 1867 endeten. Seit 1867 auch Mitglied des norddeutschen Reichstags und des preußischen Abgeordnetenhauses für MeppenPerle von Meppen«), hielt er sich anfangs zurück, nahm 17. Juni 1869 an dem anti-infallibilistischen Laienkonzil in Berlin teil, stellte sich aber zuerst im Reichstag im März 1871, dann auch im Abgeordnetenhaus entschieden an die Spitze der ultramontanen Partei, die er straff zusammenhielt, und mit der er die partikularistischen Elemente der Opposition (Polen und Welfen) gegen die Regierung verschmolz. Schlagfertig und witzig, in allen Künsten sophistischer Dialektik erfahren, errang W. als Führer der Opposition bedeutende rednerische Erfolge, und wenn er auch die Maigesetzgebung nicht hindern konnte, so bereitete er doch Bismarck und Falk durch seine scharfe Opposition manche Schwierigkeiten, verzögerte durch seine zahllosen Reden den Fortgang der Geschäfte und suchte jede Erstarkung der Reichsgewalt zu verhindern. Ein Staatsmann war W. nicht, aber ein ausgezeichneter Parlamentarier. Auf den jährlichen Katholikenversammlungen gab er die politische Parole für die ultramontane Partei aus. Nach seinem Tod erschienen seine »Ausgewählten Reden, gehalten in der Zeit 1851–1891« (Osnabr. 1901–02, 3 Bde.). Vgl. Knopp, Ludwig W., ein Lebensbild (Dresd. 1898); Hüsgen, Ludwig W. (2. Aufl., Köln 1907).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 671.
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