Zentralamerikanische Republiken

[890] Zentralamerikanische Republiken (Geschichte). Die Bevölkerungsgrenze zwischen Nord- und Südamerika liegt nicht am Isthmus, sondern nördlich davon in Mittelamerika (über das Geographische s. diesen Artikel). So kam es, daß schon in vorkolumbischer Zeit Zentralamerika von einer Anzahl[890] kleiner, einander fremder Völkerschaften bewohnt war, die keine größere Einheit aufkommen ließen. Die Zersplitterung wurde durch die Eroberung weiter begünstigt. Die Ostküste hat schon Kolumbus auf seiner vierten Reise in Veragua besucht, die Westküste entdeckte Ponce de Leon 1516. Im Auftrage von Cortes unterwarf Pedro de Alvarado 1524 die Indianer von Guatemala und begründete die Stadt Santiago de los Caballeros oder Guatemala Vieja. Neben ihm drangen von Süden und von Norden andre Conquistadoren in Zentralamerika ein und führten zur Errichtung einer Reihe von kleinen Gouvernements, die nur in ihrer gemeinsamen Unterordnung unter die 1543 begründete Audiencia von Guatemala lose verbunden waren. Dieser Zustand dauerte während der ganzen Kolonialperiode an, und Zentralamerika blieb mit am längsten dem Mutterlande treu. Erst 1821 erklärten sich die sieben Provinzen Guatemala, San Salvador, Honduras, Nicaragua, Costarica, Chiapas und Quezaltenango als unabhängig. Die provisorische Regierung schwankte zwischen einem Anschluß an Kolumbien, Mexiko und die Vereinigten Staaten von Nordamerika. Endlich wurde 1. April 1823 die Republik der Vereinigten Staaten von Zentralamerika proklamiert. Es fehlte indessen auch jetzt nicht an Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten unter den verschiedenen Parteien; man machte alle möglichen Experimente mit der Verfassung und Verwaltung des Landes und richtete dadurch eine so gründliche Verwirrung in den staatlichen und kirchlichen Verhältnissen an, daß es endlich zum offenen Bürgerkrieg kam, aus dem 1839 der Zerfall des ganzen Staates in fünf kleine, den frühern Provinzen entsprechende Republiken: Guatemala, Honduras, Salvador, Nicaragua und Costarica, hervorging. Trotzdem gab die politische Ohnmacht der kleinen Staatengebilde fortdauernd dem Wunsche nach engerm Zusammenschlüsse Nahrung. Schon 1851 taten sich die Republiken von Honduras, Nicaragua und San Salvador zu einem Bunde zusammen und suchten Guatemala mit Gewalt zum Beitritt zu zwingen. Die Hoffnung wurde aber durch die Niederlage vereitelt, welche die Verbündeten 2. Febr. 1851 bei Arada erlitten. 1889 nahm Guatemala den Einigungsplan wieder auf und gewann auch die Zustimmung von Honduras und Costarica für denselben. Dagegen ließ sich San Salvador, das zunächst auch Geneigtheit zum Beitritt gezeigt hatte, nicht dauernd bei der Union festhalten, und der Plan, es dazu zu zwingen, führte zum Kriege gegen Guatemala, über dem die Einigung vollends in die Brüche ging. Der Gedanke aber blieb lebendig. Am 20. Juni 1895 schlossen die Präsidenten von Honduras, Nicaragua und San Salvador einen Vertrag zu Amapala, wonach die drei Republiken sich nach außen hin als Republica Mayor de Centro America zusammenschlossen. Im Innern blieben dieselben durchaus selbständig; zur Regelung der gemeinsamen Interessen dem Auslande gegenüber sollte ein Ausschuß von drei Vertre-i ern gebildet werden, der abwechselnd in San Salvador, Managua und Tegucigalpa tagen sollte; ebenso sollte zunächst abwechselnd einer der drei Präsidenten den Vorsitz führen. Erst 1899 sollte ein gemeinsamer Präsident gewählt und die Einheit der Republik hergestellt werden. Bis dahin hoffte man auch Guatemala und Costarica für den Anschluß zu gewinnen. Der Vertrag wurde von den drei Kongressen angenommen; der Bundestag trat 17. Juli 1897 in Managua zusammen und beschloß 27. Sept. eine Verfassung für die Republik, die Wappen und Flagge der alten zentralamerikanischen Föderation wieder aufnahm. Aber schon nach wenigen Monaten machte eine Revolution in San Salvador dem Bund ein Ende. Trotzdem sind Einigungsbestrebungen wiederholt im Gange gewesen. 1902 kamen Vertreter von Salvador, Nicaragua, Honduras und Guatemala in Corinto zusammen, um über die gemeinsamen Interessen von Zentralamerika zu beratschlagen; doch blieb die Tagung ohne dauernde Ergebnisse. Dagegen kam 20. Aug. 1904 ein Abkommen zwischen San Salvador, Honduras und Nicaragua zustande, wonach die drei Republiken gemeinsam den Frieden in Zentralamerika garantieren wollen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 890-891.
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