Aquarellmalerei

[632] Aquarellmalerei (v. ital. acquerello, Wasserfarbe), 1) im Allgemeinen diejenige Malerei, bei welcher die Farben mittelst Wasser zur Anwendung gebracht werden, also die Miniatur-, die Tempera- u. die Guaschmalerei (s.d. a); bes. 2) die Malerei, welche mit lasirenden, durchsichtigen Farben in der Weise zu Werke geht, daß das durchscheinende Papier die Lichtung vermittelt u. das höchste Licht durch Aussparung des reinen Papiers erzielt wird. Bei diesem Verfahren werden die Schatten entweder vorher mit Sepia, chinesischer Tusche od. einer anderen neutralen Tinte ausgeführt, od. nachher mitgebrochenen Farben hineingemalt. Letztere Methode eignet sich bes. für Gegenstände, in denen schärfer begrenzte Formen u. Schatten vorkommen, desgleichen für leichte Skizzen; letztere mehr für solche, in denen, wie beim Portrait, ein weicheres Verschmelzen der Farbennuancen erzielt werden soll. Je nach den Gegenständen wählt man ein Papier von feinerem od. gröberem Korn, das möglichst weiß, dabei markig u. gut geleimt sein muß. Außer den Saftfarben, durch welche sich sehr brillante Töne erreichen lassen, sind auch gut geklärte Erdfarben, als gebrannter lichter Ocher, Berlinerblau, chinesischer Zinnober etc. bei dieser Malerei anwendbar. Als Bindemittel bedient man sich gewöhnlich des Arabischen Gummi, öfter auch einer Mischung von 11/2 Th. Arabischem, 1/2 Th. Senegal-Gummi u. 1 Th. weißem Candis, welche bei gelinder Wärme in Wasser aufgelöst wird. Neben einer leuchtenden harmonischen Gesammtwirkung ist eine freie u. sichere Behandlung eine wesentliche Eigenschaft eines guten Aquarells. Eine zu subtile Ausführung entspricht dem Charakter dieses Kunstzweiges nicht, sondern erzeugt ein zwischen ihm u. der Miniaturmalerei stehendes Zwitterding. Erst mit dem Anfange des 19. Jahrhunderts begegnet man den ersten künstlerischen Versuchen, von der farbig angetuschten Zeichnung zur wirklichen A. überzugehen. Englische Künstler welche noch jetzt diesen Kunstzweig bes. pflegen, machten den Anfang; ihnen folgten französische Das ernstere Kunststreben der Deutschen konnte sich erst viel später dazu entschließen, sich ausnahmsweise u. nebensächlich mit dieser, eine flüchtige Anschauung bedingenden Kunstäußerung zu beschäftigen; gleichwohl lieferten mehrere derselben, u. A. Werner in Rom, Hildebrandt u. Otto in Berlin, Weber u. Achenbach in Düsseldorf, ausgezeichnete Landschaften u. Architekturstücke dieser Art. Aber nur selten bezweckten u. erreichten sie darin die französische Eleganz u. die englische Bravour, welche letztere dagegen sich zu ihrem Schaden öfter vermaß, es im Aquarell der Ölmalerei gleichthun zu wollen. In London erreichte der Wetteifer in dieser Kunstbranche seinen Culminationspunkt, zwei in der Anwendung der Kraftmittel von einander abweichende Künstlergesellschaften rivalisirten dort in separaten Ausstellungen, deren Aquarelle größtentheils mehr Fabrikarbeiten als Kunstwerke sind. Indeß läßt es sich nicht leugnen, daß die dadurch geförderte Technik oft einen hohen Grad von Virtuosität erreicht. In neuester Zeit sind die deutschen Aquarelle in England sehr gesucht.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 632.
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