Chevalĭer [3]

[917] Chevalĭer (spr. Sch'walliëh), 1) Anton Rudolf, geb. 1407 in Montchamps bei Vire; floh als Protestant nach England, wo er die Prinzessin Elisabeth im Französischen unterrichtete; wurde dann Professor der Orientalischen Sprachen in Strasburg u. später in Genf, wo er Freund u. Gehülfe Calvins wurde; er nahm dann einen Ruf nach Caen an, floh aber nach der Bartholomäusnacht u. st. 1572 in Guernsey. Er schr.: Linguae hebr. rudimenta, Par. 1567, u. begann eine Ausgabe der Bibel in 4 Sprachen (unvollendet). 2) Jean Baptistele Ch., geb. 1752 zu Trely im la Manche-Departement; unternahm 1786 u. s. in wissenschaftlicher Hinsicht mehrere große Reisen, unter anderen nach der Levante, vorzüglich nach Troas, u. st. 1836 als erster Conservateur der Bibliothek zu St. Geneviéve in Paris; er schr.: Voyage de la Troade, Par. 1803, 3 Bde., 3. Ausg. (deutsch von Lenz, Altenb. 1800); Voyage de la Propontide et du Pont-Euxin (deutsch, Liegnitz 1801); unter dem Pseudonym Const. Koliades Du véritable auteur de l'Iliade et de l'Odyssée, Par. 1829. 3) Madame Ch., Tochter des Tanzmeisters Peycam, geb. 1774 in Lyon, debutirte hier auf dem Theater, dann in Paris in der Komischen Oper, war 3 Jahre in Hamburg, ging dann, an den Schauspieler u. Balletmeister Ch. verheirathet, nach Petersburg u. wurde die Geliebte des Kaisers Paul. Kotzebue veröffentlichte in: Das merkwürdigste Jahr meines Lebens, ihre Intriguen. Nach Pauls Tode aus Rußland verwiesen, hielt sie sich in mehreren Städten Deutschlands auf u. wohnte endlich in Kassel, wo sie sich wieder verheirathete; später kaufte sie bei Paris ein Landgut. 4) Paul, geb. 1801 in Paris, wurde zum Mechaniker bestimmt, verließ aber dies Fach, um sein originelles Talent zur Genrezeichnung auszubilden; unter dem Namen Gavarni ist er bekannt als einer der vorzüglichsten u. fruchtbarsten Meister im Fach des Genres; eine Menge Holzschnitte u. Lithographien zu modernen Werken novellistischen u. humoristischen Inhalts rühren von ihm her, so zu den beiden Werken: Les français moeurs contemporaines u. Les Anglais peints par euxmêmes, zu Sues Juif errant u. Balzacs Diable à Paris; er lieferte auch die Illustrationen zu den Zeitschriften: Les gens du monde u. Charivari; eine Auswahl seiner besten Zeichnungen erschien gesammelt unt. d. Tit. Oeu vres choisies de Gavarni. Par. 1846 ff., 30 Liefergn. 5) Michel, geb. 1806 in Limoges, trat 1823 in die Polytechnische Schule zu Paris, 1825 in eine bergmännische Bildungsanstalt, wandte sich nachher dem St. Simonismus zu, übernahm 1832 die Redaction des Globe, wurde 1833 Mitglied der simonistischen Congregation in Menilmontant, bei deren Anklage aber von den Assisen mit Enfantin zu Gefängnißstrafe verurtheilt; er kam in der Einsamkeit des Gefängnisses zur Einsicht der Mängel des St. Simonismus u. beschloß eine Zeitlang Frankreich zu verlassen, erhielt 1833 von der Regierung eine Mission nach Nordamerika zur Erforschung der dortigen Zustände, bes. der Einrichtung der Eisenbahnen, erhielt 1837 eine neue Mission nach England zur Untersuchung der Ursachen. der nordamerikanischen Geld- u. Handelskrisis; wurde 1840 Staatsrath u. Professor der Nationalökonomie, 1845 Kammermitglied u. trat 1848 als Bekämpfer des L. Blancschen Systems auf; 1851 wurde er Mitglied der Akademie u. Napoleon III. berief ihn in den Handelsrath, wo er jedoch mit seiner dem Freihandel huldigenden Anschauung nicht durchdringen konnte. Er schr.: Lettres sur l' Amérique du Nord, Par. 1836, 2 Bde., 4. A. 1842 (deutsch, Lpz. 1837); Des intérêts matériels en France, Par. 1837, 7. A. 1843 (deutsch von Lindner, Stuttg. 1838); Hist. et description des voies de communication aux Etat-Unis, 1840–42, 2 Bde.; Essais de politique industr., 1843; Cours d'économie polit., 1842–50, 3 Bde.; L'isthme de Panama, 1844; Lettres sur l'organisation du travail, 1848; Etudes sur la constit. des Etats-Unis, 1848 (deutsch von Engel, Wien 1848); Hist. et description des voies de communication, 1851; Questions pol. et soc., 1852.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 917.
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