Fischart

[299] Fischart, Johann, der bedentendste deutsche Schriftsteller aus der 2. Hälfte des 16. Jahrh., über dessen Leben aber nur Weniges sicher zu ermitteln ist, war nicht vor 1545 wahrscheinlich zu Mainz (daher sein Beiname Mentzer) geboren, scheint die Schule zu Worms unter Kaspar Scheid besucht zu haben u. tritt zuerst 1567 in Strasburg auf. Gegen 1573 machte er eine Reise nach England u. lebte dann als Doctor der Rechte wiederum in Strasburg, innig befreundet mit dein Buchdrucker Bernhard Jobin, der sein Schwager wurde u. alle seine Schriften verlegte. 1581 u. 1582 war F. Kammergerichtsadvocat zu Speier; 1586 nennt er sich freiherrlich hohenfels-rixingischer Amtmann zu Forbach. In letzterer Stellung starb er wahrscheinlich Ende 1589. F. ist unübertroffen in der Komik u. Satyre, sowie Meister in Behandlung der Sprache. Von seinen zahlreichen Schriften sind etwa 50 als echt nachgewiesen; einen großen Theil derselben gab er unter einer vielgestaltigen u. bedeutungsvollen Pseudonymität heraus. So nennt er sich I. F. Mentzer, Zwischact, Huldrich Elleposkleros, Jesuwalt Pickhart (auf den antikatholischen Schriften) etc. Man kennt über 40 solcher Verstellungen u. Umschreibungen seines Namens. Obgleich sich seine besten Schriften meist auf fremde Originale stützen[299] sind sie jedoch durchaus freie Schöpfungen. Dahin gehören: Aller Praktik Großmutter (zuerst 1573, dann 1574, 1593, 1598, 1607, 1623), gearbeitet nach Rabelais Prognostication Pantagrueline; Affenteurliche und Vugeheurliche Geschichtschrift vom Leben, rhaten vud Thaten etc. von Gargantoa vnd Pantagruel, ebenfalls nach Rabelais (zuerst 1575, dann unter dem veränderten Titel: Affentheurlich Naupengeheurliche Geschichtklitterung, 1582, 1590, 1594, 1600, 1605, 1608, 1617, 1631); Podagram misch Trostbüchlein (1577, 1591, 1604); Binenkorb des Heyl. Römischen Imenschwarms (1579, 1580, 1581, 1586, 1588, 1630, 1651, 1730, neu herausgeg. von Eiselein, St. Gallen 1847), F. bekanntestes Werk nach dem Byenkorf der H. Roomsche Kerke des Philipp Marnix, Herrn von Aldegonde; Der Heilig Brotkorb, nach Calvins Traité des rel iques gea rbeitet (1580 u. ö.). Eins der bedeutendsten komischen Werke F-s ist Flöhatz Weibertratz (wahrscheinlich zuerst 1574, dann sicher 1577, 1578, 1594, 1601, 1610); einen anderen Charakter trägt Das glückhafft Schiff von Zürich (1576, neue Ausg. von Halling, Tüb. 1828, in Gödekes Elf Bücher deutscher Dichtung, 1. Bd., Lpz. 1849), eins der besten beschreibenden u. schildernden Gedichte der gesammten deutschen Literatur. Ernst u. würdig sind die Psalmen u. geistlichen Lieder in einem Strasburger Gesangbuch von 1576 (neue Ausg., Berl. 1849). Unter den vielen anderen, nach Ton u. Inhalt äußerst mannichfaltigen prosaischen u. poetischen Schriften F-s sind zu nennen: Nachtrab oder Nebelkräh (1570); Von St. Dominici, des Predigermünchs vnd St. Francisci Barfüßers artlichem Leben etc. (1571); Eulenspiegel reimensweis (1572); Neue künstliche Figuren Biblischer Historien (1576, 1586, 1590, 1599, 1625, abgedruckt in Scheibles Kloster, 10. Bd.); Anmanung zur christlichen Kinderzucht, in einem Katechismus, der zwischen 1576 u. 1578 bei Bernhard Jobin, später seit 1609 bei Joh. Carolus erschien (neu herausgeg. von Vilmar: Zur Literatur Joh. Fischarts, Marb. 1846); Das phi losophisch Ehzuchtbüchlein (1578, 1591, 1597, 1607, 1614, 1623, 1683); Das sogenannte Jesuiterhütlein (1580, 1591, 1593, 1603, neuer Abdruck in Scheibles Kloster, 10. Bd.); Catalogus catalogorum perpetuo durabilis (1590), nach Rabelais, wahrscheinlich F-s letzte Schrift. Alle Schriften F-s sind äußerst sel ten; die vollständigste Sammlung aus der Meusebachschen Bibliothek besitzt jetzt die königliche Bibliothek zu Berlin. Beste Arbeiten über F. von Vilmar in Ersch u. Grubers Allgemeiner Encyklopädie (Bd. 51, Lpz. 1850), u. Gödeke, Literarischer Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung (Hann. 1857–58). Vgl. Weller, Neue Originalpoesien Joh. Fischarts, Halle 1854.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 6. Altenburg 1858, S. 299-300.
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