Karfunkel

[302] Karfunkel (v. lat. Carbunculus), 1) bei den Alten einige Edelsteine, bes. der Rubin; dann 2) nach der Fabel des Mittelalters feuerrother, goldglänzender, im Dunkeln leuchtender u. seinen Träger unsichtbar machender Stein. Die Zeisige sollten ihn in ihr Nest legen u. deshalb dasselbe so selten gefunden werden. In der mystisch-romantischen Schule zu Anfang des 19. Jahrh. gehörte der K. zum Bilde des unbekannten Etwas, das sie in überschwenglichem Gefühl zu empfinden vermeinte; hauptsächlich wurde in Werners Schriften, bes. in seiner Weihe der Kraft, mit dem K. ein übertriebenes poetisches Spiel getrieben. Bald erhoben sich Gegner gegen dieses Bild, wie gegen die ganze Schule, denen nun der K. zur Zielscheibe des Spottes diente. Baggesen u. Andere machten diese Karfunkelpoesie lächerlich, bes. im K.- od. Klingklingelalmanach, Tüb. 1810. 3) jetzt der rothe Granat; 4) (Carbunculus, Anthrax), eine mehrere Hautdrüsen zugleich ergreifende, meistens begrenzte Entzündung des Haut- u. Unterhautzellgewebes, die leicht ein Brand übergeht. Von dem verwandten Furunkel ist der K. durch seine Ausbreitung auf mehrere neben einander liegende Drüsen u. seine Neigung zu Übergang in Brand, überhaupt durch größere Heftigkeit der Entzündungserscheinungen unterschieden. Der K. tritt auf als: a) ansteckender K. (bösartige Blatter od. Pustel-Milzbrandkarfunkel, Carbunculus contagiosus, Pustula maligna s. gangraenosa); diese Art von K. wird durch Übertragung eines Ansteckungsstoffes von Thieren, die an der Milzbrandseuche leiden, auf Menschen erzeugt, s. Milzbrand. Der K. entwickelt sich bald im Gesicht, bald im Nacken, am Halse od. an den Extremitäten, zunächst ein kleines juckendes Knötchen od. Bläschen (Pustel) bildend. Die Haut entzündet sich, schwillt an, wird hart u. sehr schmerzhaft, das Bläschen dunkelroth, schwarzblau u. vertrocknet zu einer harten Kruste. Die Härte der Haut nimmt zu, es entstehen neue mit stinkender Jauche gefüllte Brandblasen, die zusammenfließend eine festsitzende Brandkruste bilden. Der Brand greift tiefer u. allmälig bildet sich durch entzündliche Reaction der Umgebung eine scharfe Abgrenzung (Demarkationslinie) des Lebenden von dem Abgestorbenen, dadurch wird das Brandige abgestoßen, u. es bleibt nunmehr eine Geschwürsfläche zurück. Der Ausgang ist zuweilen ungünstiger, die Zerstörung greift um sich u. bringt meist durch Aufnahme brandiger Jauche in das Blut den Tod. Die Krankheitserscheinungen dabei (Unruhe, Schlaflosigkeit, Schwindel, Erbrechen, Kopfschmerz, Durst, häufiger Puls etc.) hängen lediglich von der örtlichen Entzündung ab u. nehmen nach u. nach einen typhösen Charakter an. Sehr oft jedoch tritt ein schneller Verfall der Kräfte ein, der Puls wird klein, sehr frequent, es zeigen sich Delirien, Ohnmachten u. unter heftigen Durchfällen, Blutungen u. Schweißen stirbt der Kranke zuweilen schon in den ersten 3–4 Tagen. b) Einfacher K. (bösartiger Furunkel, Carbunculus simplex, Anthrax, Furunculus malignus); kann als ein brandig werdender Blutschwär (Furunkel) betrachtet werden, von welchem er sich in der oben angegebenen Weise unterscheidet. Von dem ansteckenden K. unterscheidet er sich vorzüglich durch seine Entstehung, aber auch durch Charakter u. Verlauf, indem er von innen nach außen fortschreitet. Anfänglich dem Furunkel ganz ähnlich, wird die entzündliche Schwellung der Haut u. des darunter gelegenen Zellgewebes umschrieben, hart u. sehr schmerzhaft, die Röthe zuletzt dunkelblau od. schwarz. Auf der Oberfläche erheben sich mit Brandjauche gefüllte Blasen u. bildet sich ein Schorf, aus dessen Öffnungen eine stinkende, mit Blut u. abgestorbenen Zellgewebspartien vermischte Jauche hervorquillt. Nach Abstoßung des Brandschorfes zeigt sich ein Geschwür, auf dessen Grunde Sehnen, Muskeln, Nerven u. Gefäße blos liegen. Je nach dem Grade des K-s sind die begleitenden Krankheitserscheinungen mehr od. weniger bedeutend. Zuweilen nimmt gleich von Anfang an das Fieber einen nervösen od. fauligen Charakter an u. das örtliche Leiden erscheint als Symptom eines inneren Leidens u. verläuft zumeist tödtlich (Pestkarfunkel, Bubo pestilentialis, Bubonen-[302] pest), s. Pest. In vielen Fällen steht der K. in ursächlicher Beziehung zu Mangel an gesunder Nahrung, schlechter Wohnung od. zu gastrischen Zuständen, zu gichtischer, syphilitischer, skrophulöser Körperbeschaffenheit. K. am Kopfe u. am Halse sind die gefährlichsten, ebenso wie die, welche von einem nervösen od. fauligen Fieber begleitet werden. Seit einer Reihe von Jahren ist in verschiedenen Städten u. Gegenden Großbritanniens (London, Oxford, Cambridge, Bristol, Manchester, Nord- u. Südwales, Schottland, Irland etc.) ein epidemischer K. aufgetreten (Furunkelkrankheit, Furunculoid disease, Karfunkelkrankheit), welcher mit Furunkelbildungen u. Unterhautzellgewebsabscessen u. sogar mit oberflächlichen Nagelgeschwüren einhergeht. Einige Ärzte unterscheiden auch noch die epidemische Karfunkularentzündung der Lippen. Die Behandlung des K-s erfordert frühzeitig einen gehörig tiefen Einschnitt in die Geschwulst, damit die unter der Haut angesammelte Brandjauche abfließen kann, sodann Mittel zur Beförderung der Abstoßung des Brandigen in der Tiefe, Kalkwasser, Holzessig, Cauterisation mit concentrirten Säuren u. endlich erweichende Umschläge. Die Anwendung innerer Mittel hat sich nach den verschiedenen ursächlichen Momenten od. verschiedenen Folgeerscheinungen zu richten.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 302-303.
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