Kurden

[914] Kurden, eine Völkerschaft im türkischen Asien u. westlichen Persien, welche auf 1 Mill. Seelen geschätzt wird u. ihrer Abstammung nach wahrscheinlich ein Mischvolk bildet, bei welchem sich ebensowenig ein bestimmter Typus des Körpers u. der Gesichtsbildung, als übereinstimmende vorherrschende Racenmerkmale angeben lassen. Die Karduchen u. Gordyäerdes Alterthums waren jedenfalls der Hauptmasse nach das iranische Stammvolk der K.; die ursprünglichen Bewohner Kurdistans, mit welchen sich die besiegten, zersprengten u. flüchtigen Völkertheile der Nachbarschaft, die im Gebirge eine Zufluchtsstätte gegen Eroberer suchten, von Zeit zu Zeit mischten. Die K. führen seit undenklichen Zeiten im Allgemeinen noch dieselbe Lebensweise, als gegenwärtig; sie sind ein nomadisirendes Reitervolk, das außer der Viehzucht nur wenigen Ackerbau, die Räuberei aber als Hauptgewerbe treibt. Sie sind ein ebenso freimüthiges u. unabhängiges, als wildes u. unbändiges Volk, welches sich unter kräftigen Regierungen in den umliegenden Ländern ruhig u. auf seine Gebirgslandschaften beschränkt hielt, sonst aber durch Raubzüge u. Überfälle die umliegenden Gegenden beunruhigte u. sich in denselben ausbreitete. So haben viele K. bes. in Armenien u. Mesopotamien ihre Heimath aufgeschlagen; als Hirten, Karawanenführer u. Räuber wandern sie nicht selten bis Siwas u. Tokat in Kleinasien, während sie ostwärts selbst in den Grenzgebieten zwischen Persien u. Turkestan ihre Heimath aufgeschlagen haben. Seßhaft sind nur wenige Stämme; die meisten ziehen im Sommer mit ihren Heerden in die kühleren Gebirge, während sie im Winter die niedrigeren Gegenden am Euphrat u. Tigris bewohnen. Raubsucht u. eine zweideutige Gastfreundschaft bilden den Grundzug des kurdischen Volkes, welches im Ganzen noch auf einer niederen Stufe der Civilisation steht u. im Besonderen einen eigentlichen staatlichen Verband noch fast gar nicht kennt. Im Winter wohnen sie in Dörfern, von denen eine größere od. kleinere Anzahl zu einem Stamme gehören; letzter steht unter einem Fürsten, welcher jedoch vermöge seines Amtes nur wenige Macht besitzt, wenn nicht seine Persönlichkeit ihm dieselbe jeweilig verleiht. Diese kurdischen Fürstenthümer stehen, wenn auch in den meisten Fällen blos nominell, theils unter türkischer, theils unter persischer Oberhoheit; als der Pforte unterworfen gelten die Fürsten von Amadia, Dschesireh, Dschulamerk, Karadscholan, Khoi, Kuran, Sindian, Soran u. Suleimaniel. Der größte Theil der K. bekennt sich zum Islam, jedoch sind auch Viele christlich nach katholischem, nestorianischem, jakobitischem od. armenischem Cultus. Eine eigene Secte bilden die Jesidis, welche übrigens weder von den K., noch von den Turkomanen als Stammesgenossen angesehen sein wollen. Am reinsten von fremden Einflüssen haben sich die Stämme des centralen Kurdistan erhalten; die nördlichsten Stämme (die Dschelali, Melanli, Schakaki u. Haideranti), welche in dem Gebirgsdreieck zwischen den Seen um den Ararat nomadisiren, haben mehr od. minder schon an ihrer ursprünglichen Nationalität eingebüßt. Vgl. Rich, Narrative of a residence in Koordistan, Lond. 1836, 2 Bde. Eine wichtige Quelle für die Geschichte der K. ist das persische Tarich-et-Akrad des Sheref.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 914.
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