Nägel

[644] Nägel (Ungues), 1) dünne, länglich viereckige, weißliche, durchscheinende, harte, elastische u. gebogene Hornplatten, welche auf der Rückenfläche der dritten Finger- u. Zehenglieder (Nagelglied) in einer besonderen Vertiefung der Lederhaut, dem Nagelbette (Nagelmutter) sitzen u. ringsherum sich mit der Oberhaut verbinden. Man unterscheidet an dem Nagel die Nagelwurzel (Radix unguis), der hintere dünnere u. weichere Theil, welcher mit einem convexen, scharfen Rande versehen ist u. in einem Falze der Lederhaut verborgen liegt, so daß er aus diesem nur als ein weißer, halbmondsörmlger Fleck (Nagelmond, Lunula) hervorsieht; ferner den Nagelkörper, der mittlere rothe Theil, welcher an seiner unteren Fläche mit der unterliegenden gefäßreichen Lederhaut verwächst; ferner die Nagelspitze, der vordere, frei über die Fingerspitze vorragende Rand u. dickste Theil des Nagels u. endlich das Nagelbett, welches an seinem seitlichen u. hinteren Rande durch einen Vorsprung der Haut (Nagelwall) eine rinnenartige Furche (Nagelfalz) hat, auf seiner Oberfläche mit Leistchen (Nagelleisten) besetzt ist, die vom Grunde des Nagelfalzes am hinteren Rande des Nagelbettes parallel neben einander nach vorn laufen u. an der Convexität des Nagelmondes zu gefäßreicheren wirklichen Blättern (Nagelblätter) sich erhöhen. Auf demselben finden sich kleine Papillen u. in die Furchen zwischen die Leistchen greifen Fortsätze der unteren Nagelfläche. Der Bau des Nagels weicht nicht sehr von dem der Oberhaut ab; er besteht aus Epithelialzellen, welche eine äußere härtere Hornschicht u. eine tiefere weichere Lage (Schleimschicht) bilden. Die Hornschicht des Nagels od. die eigentliche Nagelsubstanz) besteht aus fast vereinigten, nicht scharf von einander geschiedenen Lamellen u. jede Lamelle aus einer od. mehren Lagen kernhaltiger, polygonaler platter Schüppchen od. Blättchen, welche denen der Epidermis gleichen u. in den untersten Lagen dicker u. kleiner, als in den oberen sind. Die Schleimschicht entspricht dem Malpighi'schen Netz u. besteht wie diese durch u. durch aus kernhaltigen Zellen. Das Wachsthum des Nagels geschieht durch Ansatz neuer Zellen am Wurzelrande, wodurch derselbe nach vorn geschoben wird u. durch Hinzutreten solcher Zellen an seiner nnteren Fläche, wodurch er sich verdickt, jedoch so, daß das Längenwachsthum die Dickenzunahme überwiegt, indem die anfangs rundlichen Zellen beim Vorrücken sich abplatten u. verlängern. Ganz verloren gegangene N. ersetzen sich auf diese Weise nach 4–6 Monaten wieder, wenn nur die Hautspalte, aus welcher sie hervorwuchsen, erhalten blieb; doch bekommt der neue Nagel nicht die regelmäßige Bildung u. Glätte des verlorenen. Selbst nach Verlust eines ganzen äußeren Fingergliedes sah man in seltenen Fällen eine nagelartige Bildung an dem erhaltenen zweiten Fingergliede entstehen. Der Nutzen der N. an den Händen ist, theils das äußerste Fingerglied beim Fühlen u. Greifen zu unterstützen, theils zum Fassen kleiner Gegenstände; auch sind sie zum Kratzen u. Scharrendienlich. Die N. erfordern theils der Reinlichkeit wegen, theils im Interesse der Eitelkeit, theils um Verunstaltungen od. Krankheiten derselben zu verhüten, eine besondere Behandlung. Säuberung von Schmutz an od. über denselben wird durch Waschen mit einem Seifenlappen od. kleine Bürsten (Nagelbürsten) bewirkt, das Zulangwerden durch Verschneiden verhütet. Die N. der Zehen befördern die Sicherheit des Auftritts u. dienen den Zehen zugleich, eben so wie die N. der Finger, als Schutzmittel gegen äußere Einwirkungen. Sie dienen auch, um gegen den Druck des Schuhwerks zu schützen, indem durch diesen leicht Verkrümmungen (Gryphosis), Nagelgeschwüre u. das Einwachsen der N. entstehen können, s.u. Nagelkrankheiten. Beim Embryo bemerkt man die N. zuerst im 5. Monate, als dünne häutige Plättchen; ihre völlige Ausbildung gehört zu den Zeichen der Reise eines neugeborenen Kindes, ungeachtet sie auch bei diesem noch sehr zart sind. Im Greisenalter werden sie[644] spröder u. krankhaft völlig hornartig. An Thieren kommen blos bei den Affenarten eigentliche N., nämlich als breite u. flache Gebilde vor, wo sie auch, wie bei Menschen, einen Bezug auf den Tastsinn haben; nur uneigentlich werden Krallen u. Klauen auch als N. bezeichnet; 2) eine Art Fischschuppen, s.u. Fische 1).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 644-645.
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