Rückenmarksentzündung

[423] Rückenmarksentzündung (Inflammatio medullae spina lis, Myelitis), die Entzündung des Rückenmarks selbst u. die Entzündung der Häute des Rückenmarks (Myelomeningitis, Meningitis spinalis, Perimyelitis) sind am Kranken nicht zu unterscheiden u. treten in den meisten Fällen gemeinschaftlich auf. Die R. gibt sich durch einen innen im Rückgrath sitzenden, durch Bewegung des Rückens od. durch Pochen auf die Wirbelsäule vermehrten Schmerz kund, welcher gewöhnlich an einer bestimmten Stelle haftet u. am deutlichsten durch Berührung dieser Stelle mittelst eines in mäßig heißes Wasser getauchten Schwammes sich verräth. Daneben zeigen sich ziehenden, reißende, durch Bewegung zunehmende Schmerzen in Rumpf u. Gliedern od. Krämpfe, namentlich Muskelsteifigkeit u. Starrkrämpfe, theils Gefühl von Müdigkeit, Eingeschlafensein, Kriebeln, völlige Gefühllosigkeit od. Contracturen, Zittern, gänzliche Muskellähmung. Verschieden sind diese Symptome, je nachdem der Sitz der Krankheit verschieden ist. Hat die R. ihren Sitz in der Halsgegend (M. cervicalis), so finden sich schiefer od. steifer Hals, Nackenweh, ein Gefühl von Zusammenschnürung des Halses mit Schlingbeschwerden, Kinnbackenkrampf, Kriebeln u. Lähmung in den oberen Extremitäten; hat die R. ihren Sitz in der Brustgegend (M. thoracica), so stellen sich asthmatische Beschwerden ein, Herzklopfen, Magenschmerz, Gefühl eines Reises um den Leib, Schmerz im Bauch od. Brust, Würgen, Brechen, Verdauungsbeschwerden, Kolik, Darmverstopfung, Harnverhaltung od. unwillkürlicher Abgang des Kothes u. des Urins, Abzehrung u. Lähmung der unteren Gliedmaßen. Zumeist ist die R. langsam verlaufend u. schwer zu erkennen, bis Lähmungserscheinungen (Rückenmarkslähmung, Paralysis spinalis) eintreten. Die eigentliche R. bedingt gewöhnlich Rückenmarkserweichung u. Rückenmarkswassersucht (s. b.). Die Entzündung der Rückenmarkshäute, bes. der Spinnewebenhaut (Arachnitis spiralis), kommt häufiger im kindlichen Alter vor u. ist gewöhnlich im ganzen Rückenmarkskanal verbreitet, zuweilen gleichzeitig mit Entzündung der Hirnsäule (Meningitis cerebrospinalis) u. führt zu Rückenmarkswassersucht od. zu Eiterungen. Die Ursachen der R. sind sehr mannigfach, oft ist sie nur eine Fortsetzung der Gehirnentzündung, zuweilen durch Krankheiten der Wirbelsäule bedingt od. durch andere Krankheiten, wie Syphilis, Tuberkelsucht, Blattern, Scharlach, Typhus etc. bedingt. Häufig führt die R. zu Rückendarre (s.d.). Die Behandlung der R. wendet vorzüglich ableitende Mittel an, Blutegel, Schröpfköpfe, Vesicatore, reizende Salben u. gegen nachbleibende Lähmungen werden außer der Elektricität Bäder, wie Gastein, Teplitz etc. empfohlen. Vgl. Brera u. Harles, Über die Entzündung des Rückenmarks, Nürnb. 1814; Klohß, De myelitide, Halle 1820; Hinterberger, Über die Entzündung des Rückenmarks, Linz 1831; Schmid, De meningitide spinali, Gröningen 1846.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 423.
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