Tallien

[218] Tallien (spr. Tallieng), 1) Jean Lambert, geb. 1769 in Paris, wurde 1789 Notar u. dann Gehülfe bei der Redaction des Moniteur. Als Mitglied des Jakobinerclubs zeichnete er sich durch Beredtsamkeit aus u. gab auf Kosten dieses Clubs 1791 L'ami du citoyen heraus. Am 10. Aug. 1792 nahm er Theil u. wurde Secretär des Gemeinderaths, welcher sich auf dem Rathhaus bildete u. der Mittelpunkt aller Gräuelthaten wurde, auch war T. mit Manuel u. Danton ein Haupturheber der Septembergräuel. Von dem Departement der Seine u. Oise in den Nationalconvent gewählt, vertheidigte er die Handlungen des Gemeinderaths von Paris, drang am 15. Dec. 1792 auf Ludwigs XVI. Verurtheilung u. protestirte gegen die Appellation an das Volk u. gegen den Aufschub der Hinrichtung. An dem Tage der Hinrichtung des Königs wurde er zum Präsidenten des Convents erwählt, ging, u. zwar als Conventsdeputirter, mit Carra in die Vendée, kehrte aber bald nach Paris zurück, wo er durch Beredtsamkeit viel zu dem Siege der Bergpartei über die Girondisten beitrug; er ging dann als Conventsdeputirter nach Bordeaux, um die letzte Spur der Gironde zu vernichten. Dort lernte er Frau von Fontenai geb. Cabarrus, seine nachmalige Gattin, kennen, welche auf seinen Befehl[218] verhaftet worden war; ihre ungemeine Schönheit bewog ihn sie freizulassen, u. sie benutzte ihren Einfluß, um T. zu mildern Maßregeln zu stimmen. Deshalb im Convent verklagt, kehrte er nach Paris zurück u. wurde, um nicht selbst zu fallen, wieder Terrorist. Doch mißtraute ihm Robespierre, stieß ihn aus dem Jakobinerclub u. ließ Frau von Fontenai aufs Neue einkerkern. Nun verband sich T. mit Dantons Anhängern zum Sturz Robespierres, welchen er auch am 9. Thermidor bewirkte (s. Robespierre), woraus er die Fontenai heirathete. T. ward nun Präsident des Wohlfahrtsausschusses, u. auf seinen Betrieb wurde das Revolutionstribunal aufgehoben, der Jakobinerclub geschlossen u. die Schreckensmänner verfolgt. Hierdurch aber verlor er von seinem Einfluß, bis er durch den Sieg des Convents über die Bergpartei wieder in der Meinung stieg. Als Conventscommissär wohnte er 1795 der Schlacht bei Quiberon bei, gerieth aber durch seine schnelle Abreise nach derselben, um die Gefangenen nicht hinrichten zu sehen, in den Verdacht des Royalismus u. hatte nun fortwährend viele Anfechtungen, aber wegen seines Antheils an den Septembertagen gegen die Royalisten verlor er auch sein Ansehen bei diesen. Nach der Auflösung des Convents im Oct. 1795 trat er in den Rath der Fünfhundert, wo er aber, von Republikanern u. Royalisten verachtet, wenig Einfluß hatte, er verließ daher denselben 1798 u. folgte Bonaparte nach Ägypten, wo er die Décade égyptienne herausgab. Nach der Abreise Bonapartes aus Ägypten gerieth er 1799 mit Menou in Zwist, welcher ihn nach Frankreich zurückschickte, das Schiff ward aber von den Briten genommen u. T. blieb bis 1801 englischer Gefangener. Zurückgekehrt nach Frankreich wurde er von Napoleon übel empfangen u. seine Gemahlin ließ sich von ihm scheiden. Durch Fouché u. Talleyrand erhielt er den Posten als französischer Consul in Alicante, kehrte aber aus Gesundheitsrücksichten bald nach Frankreich zurück. Er lebte nun vergessen, ja diente, wie es heißt, nach der Rückkehr der Bourbons als Agent der geheimen Polizei, weshalb er, obgleich Königsmörder, 1816 doch in Paris blieb. Er st. daselbst 20. Nov. 1820. 2) Therese, Gattin des Vorigen, s. Chimay 2).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 218-219.
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