Vestalinnen

[541] Vestalinnen (Vestales, Vestalische Jungfrauen), Priesterinnen der Vesta zu Rom, Anfangs vier, seit Tarquinius I. od. Servius sechs. Gewählt wurden sie Anfangs von dem König, später von dem Pontifex maximus, u. zwar wenn eine neue V. gewählt wurde, so las der Pontifex zwanzig Mädchen aus, welche von freien Eltern sein u. dieselben noch am Leben haben, zwischen 6 u. 10 Jahr alt u. frei von körperlichen Gebrechen sein mußten. Von diesen zwanzig Auserlesenen wurde in der Volksversammlung eine gewählt u. der Pontifex holte sie aus dem Hause ihrer Eltern mit den Worten: te, Amata, capio (dich, Geliebte, nehme ich). Später wählte der Pontifex, welche er wollte, wenn es nur mit Bewilligung ihrer Eltern geschehen war, u. wenn sie die erforderlichen Eigenschaften hatte. Bei Antritt ihres Amtes mußten sich die V. verbindlich machen 30 Jahre im jungfräulichen Zustande zuzubringen; von dieser Zeit erlernten sie 10 Jahre lang den Dienst, 10 Jahre lang übten sie denselben aus u. in den letzten 10 Jahren unterrichteten sie die neuen V. Tracht: langes, weißes, mit Purpur besetztes Kleid, das Haupt war mit Binden u. einem Schleier geschmückt. Der Dienst der V. bestand darin, das heilige Feuer im Vestatempel zu erhalten (weshalb sie des Nachts abwechselnd wachten), das Palladium zu bewahren u. in Gefahren in Sicherheit zu bringen, den Tempel täglich mit dem aus einem heiligen Brunnen geholten Wasser zu besprengen, Salz u. Getreide zu den Opfern zu bereiten. Wenn durch die Schuld einer V. das heilige Feuer verlöscht war. so wurde sie mit Ruthen[541] gepeitscht, das Feuer aber wurde an der Sonne wieder angezündet, was überhaupt auch jährlich am 1. März als Erneuerung des Feuers geschah. Für ihre Dienste erhielten sie von dem Staat ein Gehalt u. standen außerdem in den höchsten Ehren; wenn sie ausgingen, wurden sie von Lictoren begleitet, selbst die vornehmsten Magistrate, wenn sie den V. begegneten, mußten ihnen ausweichen u. Verbrecher, welche bei ihrem Gang nach dem Richtplatz auf sie stießen, wurden begnadigt. Wenn eine V. das Gelübde der Keuschheit verletzt hatte, so wurde sie lebendig begraben; sie wurde dann verhüllt aus der Stadt nach einer Grube auf dem Campus sceleratus, gebracht, in welcher ein Bett, Licht, Brod, Wasser, Milch u. Öl stand, sobald sie hinabgestiegen war, wurde die Leiter weggenommen u. die Grube mit Erde angefüllt. Ihr Entehrer wurde auf dem Markte zu Tode gepeitscht. Nach Beendigung ihrer Dienstzeit konnten die V. in das bürgerliche Leben zurücktreten u. sich verheirathen, doch geschah dies sehr selten.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 541-542.
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