Kamel

1. Auch ein räudig Kamel kann vieler Esel Bürde tragen, sagte der Abt.Klosterspiegel, 9, 12.


2. Da das Kamel Hörner begerte, verlor es auch seine Ohren.Petri, II, 54.


3. Das Kamel geht nicht leer vom Brunnen.

Es säuft sich satt und füllt den Wassermagen für eine durstige Zukunft.


4. Das Kamel ging um Hörner zu suchen aus und kam ohne Ohren nach Haus.

Von dem, der nach fremdem Gute strebt und darüber das Seine verliert. Aus einer Fabel, nach welcher die Kamele durch einen Redner (Abgesandten) Hörner von Jupiter verlangten, der aber, durch das thörichte Verlangen erzürnt, ihnen die Ohren abschnitt.


5. Das Kamel hat einen grossen Magen und ein kleines Herz.

Dän.: Camelet har en stor lunge, og des mindre hierte. (Prov. dan., 99.)


6. Das Kamel ist ein schönes Thier, sagte der Buckelige.

Aehnlich russisch Altmann VI, 507.


7. Das Kamel legt sich an der Stelle nieder, wo ein anderes sich niedergelegt hat.Burckhardt, 184.

Wenn ein Beamter stirbt und jemand nimmt unmittelbar seinen Platz ein. Von den Karavanen entlehnt, welche gewöhnlich an bestimmten Plätzen u.s.w., die schon von ihrer Umgebung ausgezeichnet sind, zu ruhen pflegen.


8. Das Kamel rührt erst das Wasser auf, ehe es trinkt.Parömiakon, 2549.

Von unredlichen Sachwaltern.

Holl.: De kemel drinkt liefst als het water geroerd is. (Harrebomée, I, 392a.)


9. Das Kamel schüttelt sich, wenn man ihm zu viel aufladet.

Holl.: Het pak moet naar den kemel zijn, of het draagt lastig. (Harrebomée, I, 392a.)


10. Das Kamel schüttelt umsonst an seinem Höcker.


11. Ein Camel, ob es schon ein gross Thier ist, so läst es jhm doch nicht mehr auffladen, als es kan tragen.Lehmann, 85, 72.

Jeder muss wissen, wie viel er auf sich nehmen kann oder wie weit er gehen darf. Die Araber geben den Rath: Wenn du eines deiner Kamele überladen musst, so nimm nicht das fromme, sondern das störrische.


12. Ein Kamel verbrennt sich die Zunge nicht, wenn es auch Nesseln frisst.


13. Ein reudiges Camel tregt vieler Esel bürd. Gruter, I, 27; Petri, II, 220; Körte, 3270.

Von denen, die sich so vor andern auszeichnen, dass sie sogar als Greise oder Kranke besser sind als andere im gesunden Zustande.

Lat.: Camelus vel scabiosus quam pluriumasinorum gestat onera. (Seybold, 63.)


[1120] 14. Einem Kamel, das zum Reiten bestimmt ist, wird der Sattel angeboren.


15. Einem Kamel, das zusammenbricht, muss man seine Last mindern.

In Aegypten: Wenn das Kamel zusammenbricht, so lege ihm eine Eselslast auf. (Burckhardt, 17.) Verlange von niemand mehr, als er zufolge seiner Kräfte leisten kann, oder: Richte deine Geschäfte nach den Umständen ein.

16. Je länger das Kamel gedurstet, desto mehr säuft es.


17. Mit dem Kamel wächst auch sein Buckel. Altmann VI, 417.


18. Nach dem Kamele richtet sich die Last.


19. Nur die knienden Kamele werden beladen. (S. Grün 6 und Treten.)

Wer sich aufpacken lässt, der muss auch tragen.


20. Viele alte Kamele müssen die Häute der jungen tragen. (S. Kalbshaut 3.) – Gryphius, 35.

Viele Junge sterben vor den Alten. »Wenn sie die verkehrte Ordnung der Natur, da es manchmal geschicht, dass Eltern ihren Kindern die augen zudrücken müssen, andeuten wollen, sprechen sie: Viele alte Kameele müssen die Häute der jungen tragen.« (Räthselweisheit.)


21. Was ein Kamel säuft, damit können sich viel Fliegen den Durst löschen.Sprichwörtergarten, 64; Schulzeitung, 1835, 35.

Der eine Mensch bedarf viel, der andere wenig zu seinem Bestehen.


22. Wenn man das Kamel überbürdet, trägt es närrisch.


23. Wenn man einem Kamel einen Doctorhut aufsetzt, es bleibt doch ein Kamel.

»Ein Rhinoceros kann durch zehn Universitätssäle laufen, es bleibt darum doch ein Rhinoceros.« (Westdeutsche Zeitung 1850.)


24. Wer seine eigenen Kamele tränkt, will keine fremden dazulassen.Fabricius, 9; Erpenii, Proverb. Arabic., 9.


*25. Das Kamel auf dem Affen reiten lassen. Altmann VI, 519.


*26. Das Kamel will tanzen.Eyering, I, 282, 446 u. 706; Körte, 3270a.

Von Unpassendem, Unbehülflichem. Wenn jemand von Natur ernst und finster ist und den Feinen, Zierlichen spielen will, so thut er der Natur Gewalt an. Hieronymus wendet die Redensart auf einen Mann an, der, den Musen ganz entfremdet, für beredt gehalten werden will.

Lat.: Camelus saltat. (Seybold, 63.)


*27. Dem Kamel einen Buckel wünschen.Altmann VI, 518.


*28. Du bist ein wahres Kamel.

Hier als Scheltwort, soviel wie Dummkopf. In der Studentensprache bezeichnet Kamel einen Studenten, der keiner Verbindung angehört oder sich überhaupt vom studentischen Treiben fern hält; auch Philister, Büffler. (Grimm, V, 96.)


*29. Eher wird ein Kamel durch ein Nadelöhr gehen.Matth. 19, 24.

Ehe das oder jenes geschieht.


*30. Ein Kamel in eine Ameise verwandeln.


*31. Ein Kamel verschlucken und wegen einer Mücke Gesichter schneiden.


*32. Er ist ein Kamel, das vorher (mit den Füssen) das Wasser tritt, eh' er's trinkt.

Von gewissen Advocaten und derlei Leuten.


*33. Vom Kamel Disteln fordern (kaufen).Altmann VI, 524.


[1121]

34. Das Kamel wird belastet nach seiner Stärke.Löwenheim, 55, 228.


35. Für den ist das Kamel um einen Pfennig zu theuer, wer in seiner Tasche keinen Dreier.Schuller, 38.


36. Ueber dem Kamel ist immer noch ein Elefant.Merx, 56.


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 2. Leipzig 1870.
Lizenz:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Horribilicribrifax

Horribilicribrifax

Das 1663 erschienene Scherzspiel schildert verwickelte Liebeshändel und Verwechselungen voller Prahlerei und Feigheit um den Helden Don Horribilicribrifax von Donnerkeil auf Wüsthausen. Schließlich finden sich die Paare doch und Diener Florian freut sich: »Hochzeiten über Hochzeiten! Was werde ich Marcepan bekommen!«

74 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon