Schwelle

1. Die schwelle ist der höchste berg. (S. Dürpel und Süll.) – Tappius, 9b u. 243a; Eyering, III, 538; Petri, II, 145; Henisch, 247, 27; Lehmann, II, 72, 65; Suringar, 174, 2.

Böhm.: Práh u domu nejvyšší hora. (Čelakovsky, 316.)

Ill.: Prag od kuče najviše bàrdo. (Čelakovsky, 316.)


2. Ueber höh'rer Leute Schwelle setze die Beine nicht aus deiner Zelle.


3. Wer über die Schwelle ist, hat die Reise halb gethan.

Die Schwelle galt bei unsern alten Vorfahren in vieler Hinsicht als ein bedeutsamer Punkt. Man scheint ihr die Gabe der Weissagung beigelegt zu haben, worauf die Sätze deuten: Wer, im Ausgehen begriffen, an der Schwelle stolpert, der kehre unverrichteter Dinge wieder um. Wer etwas sagen will und es vergessen hat, schreite über die Schwelle hinaus und wieder herein, so fällt es ihm ein. In der chemnitzer Rockenphilosophie (Myth. Aberglaube, 391) heisst es: »Die Braut, welche nach der Herrschaft im Hause strebt, lässt nach der Trauung ihren Gürtel und Trauring in die Thürschwelle legen, dass der Bräutigam darüberschreitet.« In Vintler's Blume der Tugend, einem im Jahre 1411 geschriebenen Spruchgedichte (neu bei Zingerle, Tiroler Sitten, V, 190 u. 193), heisst es von dem Schlagen auf die Hausschwelle oder Dreischübel: »Ettleich segent den slag mit ainer haken auf dem drischubel, etlich nement [463] ire chind, wanne sew ain wenig chrank sind und legens auf ain drischubel.« Es war ferner Vorschrift, alle Leichen von Missethätern, Selbstmördern nicht über die Schwelle zu Grabe zu bringen, denn auch an solche hat keine geweihte, also liebende Hand gerührt. Gleichmässig lautet im dithmarschen und nordfriesischen Landrechte, in der goslarer Satzung und in oberdeutschen Rechtsüberlieferungen (vgl. Grimm, Rechtsalt., 726) das Gebot: Dat men maiken sal an gat in den want des huis ende slepen hem daer door. (Vgl. Rochholz, Glaube, II, 166-171.) Aehnlich sagen die Holländer, wenn sie von Harlingen nach Amsterdam fahren: Boven het zand, de halve reis. (Harrebomée, II, 215b.)

Holl.: Die de poort uit is, heeft reeds een good deel wegs afgelegt. (Harrebomée, II, 193a.)

4. Wo die Schwellen faulen, kommt's bald an die Saulen.


*5. Er ist auf der Schwelle (schon) gefallen.

Wenn ein Geschäft schon beim Beginn mislingt oder durch Unfälle zerstört wird.

Lat.: In porta impingere. (Seybold, 247.)


*6. Er ist auf der Schwelle schon müde geworden.

Kraft und Muth waren beim Anfange schon erschöpft.


*7. Erst vor der Schwelle niederfallen (zusammenbrechen ).

Nachdem die Reise glücklich zurückgelegt, das ganze Geschäft nahe besorgt, erst nach der Heimkehr, kurz vor dem Schluss u.s.w. einen Unfall haben.


*8. Jemand (etwas) auf der Schwelle begrüssen.

Von den Besuchern entlehnt, die man nicht in die innern Gemächer, in die guten Stuben führt, sondern an der Hausthür, auf dem Flur empfängt, um sie bald wieder loszuwerden. Man wendet diese Redensart auf Gegenstände an, mit denen man nur eine oberflächliche Bekanntschaft gemacht hat, z.B. auf Wissenschaften. Er hat die Theologie nur an der Schwelle begrüsst.


9. An der Schwelle des Hafens sein.

Lat.: In limine portus esse. (Virgil.) (Faselius, 119.)


*10. Schon an der Schwelle stolpern.

Schon bei Beginn eines Geschäfts Unfälle, Misgeschick haben.

Lat.: In limine deficere (offendere). (Hanzely, 6; Philippi, I, 199.)


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 4. Leipzig 1876.
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