Veitstanz

*1. Dass dich S. veits tantz ankomme.Agricola I, 497; Alsatia, 1862-67, 441.

Eine in jener Zeit sehr übliche Verwünschungsformel. Bei Agricola a.a.O. heisst es darüber: »Ynn Deutschen landen sind der plagen vil gewesen, als do der Teuffel die leutte besessen hat vnd aussgerichtet was er gewolt hat .... Vnd eben daselbs wurden etliche leutte geplagt, dass sie tantzen musten offt tag an eynander, offt zwen tag, drey tag vnd nacht.« Der Sanct- Veitstanz ist eine Krankheit, deren Entstehung früher dem Teufel zugeschrieben wurde, und die in Krämpfen der willkürlichen Muskeln besteht, die sich unter Fortdauer des vollen Bewusstseins durch unwillkürliche Bewegung des Rumpfes, Kopfes und Gesichts kundgibt. Man unterscheidet kleinen und grossen Veitstanz. Bei dem letztern können sich die krampfhaften Zuckungen, das Hüpfen, Tanzen, Herumlaufen im Kreise, bis zu einer Art Geisteskrankheit steigern, deren Ausgang Blödsinn oder Fallsucht sein kann. Die Krankheit kommt in den ältern Schriften unter verschiedenen Namen, als Sanct-Veltiensplag, Sanct-Veltens Siechtag, Sanct-Valentin's Siechtag Veltenstanz, Sanct- Veltes Krisem, Fallentübel, Sanct-Verden bluot, vor. Nach A. Stöber (Frommann, VI, 3) kommen bei einzelnen Einsiedlern und Mönchen schon im 5. Jahrhundert Spuren von Sanct-Veitstanz vor. Allgemeiner zeigte sich die Plage zu Erfurt im Jahre 1237, wo am 15. Juni plötzlich tausend Knaben und Mädchen so von der Tanzwuth ergriffen wurden, dass sie vier Stunden weit von der Stadt unaufhaltsam forttanzten und den folgenden Tag von den Aeltern auf Wagen zurückgebracht werden mussten. Bechstein, Thüringer Sagenschatz, III, 131.) Im Jahre 1374 brach die Krankheit in den Niederlanden aus und zeigte sich 1417-18 am Rhein, besonders im Elsass. Die Ergriffenen waren in diesem Zustande gegen allen Schmerz, der durch Stechen, Zwicken u.s.w. hervorgebracht werden sollte, unempfindlich. Geiler (Emeis, 38a) bemerkt: »Also gat es denen die Sanct-Veltins Siechtagen hond, wen sie die Siechtagen leiden, so entpffinden sie nit, waz man inen anthut.« In Strassburg wurden besonders Frauen von der Krankheit ergriffen, sie geriethen in krampfhafte Zuckungen, sprangen und tanzten so lange, bis sie erschöpft zu Boden fielen. Eine handschriftliche strassburger Chronik enthält, das Jahr 1418 betreffend, den Vers: »Viel hundert fingen zu Strassburg an zu tanzten und springen, Frau und Mann, am offnen Marck, Gassen und Strassen, Tag und Nacht ihrer vil nicht assen, bis in das Wüten wieder gelag. Sanct Vits Tantz ward genannt die Plag.« (Vgl. des Weitern bei A. Stöber a.a.O.)


*2. Er hat den Veitstanz. (Ulm.)

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 1. Leipzig 1867, Sp. 1522.
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