Codex

[442] Codex heißt im Lateinischen eigentlich das feste Holz eines Baumes, und da vor Erfindung des Papiers auf hölzerne Tafeln geschrieben wurde, so nannte man mehre derselben, die in Form eines Buchs zusammengelegt wurden, ebenfalls Codex, behielt auch nach Einführung des Pergaments und Papiers diese Benennung bei und wendete sie nach Erfindung der Buchdruckerkunst im Allgemeinen auf alte Handschriften an, die daher in der Mehrzahl codices genannt werden. Vorzüglich aber wurde das Wort codex [442] für Gesetzsammlungen gebräuchlich und es gab im Alterthume mehre theilweise oder ganz erhaltene solcher codices, von denen unter andern als eine Hauptquelle des noch heutiges Tages geltenden röm. Rechts der Codex justinianeus von 534 zu betrachten ist, welcher einen Theil des Corpus juris (s.d.) bildet. Auch in neuern Zeiten haben die Gesetzsammlungen mancher Länder den Namen codex erhalten; so gilt z.B. in Sachsen der Codex Augusteus, dessen Herausgabe der Kurfürst August II. von Sachsen zuerst anordnete. In Frankreich wurden die Gesetzbücher ebenfalls codes genannt, und an die Stelle der ältern sind im Laufe des gegenwärtigen Jahrh. fünf neue Gesetzbücher, Les cinq codes, erlassen worden, auf denen das ganze jetzige franz. Recht ruht. Sie sind: der Code civil des Français, welcher das ganze Privatrecht umfaßt, und auf Veranstaltung des ersten Consuls Bonaparte, unter thätiger Mitwirkung des gelehrten Cambacérès entworfen, und, nachdem er von den Justizhöfen des Landes begutachtet und von dem Staatsrath gebilligt war, in seinen einzelnen Theilen 1803 und 1804 publicirt, durch ein Gesetz vom 31. März 1804 aber zu einem Ganzen vereinigt wurde. Nach Errichtung des Kaiserthums wurde er mit der neuen Verfassung in Einklang gebracht, unter dem Titel: Code Napoléon am 3. Sept. 1807 von Neuem als Gesetzbuch für ganz Frankreich anerkannt, erhielt aber nach der Restauration seinen ursprünglichen Namen wieder. Der Code de procédure civile enthält eine bürgerliche Proceßordnung und erhielt den 1. Jan. 1807 Gesetzeskraft; der Code de commerce oder das Gesetzbuch für Handelssachen vom 1. Jan. 1808; der Code d'instruction criminelle, die peinliche Proceßordnung am 17. Dec. 1809, und endlich der Code pénal oder das Strafgesetzbuch vom 13. März 1810. Diese fünf, in der Folge der Zeit zwar einzelnen Abänderungen unterworfenen Gesetzbücher machen mit der Charte, den Forst- und Wahlordnungen zusammen ein Ganzes aus, dem jetzt der Name Les huit (acht) codes beigelegt wird. Sie werden nicht blos wegen ihrer Einfachheit, Klarheit und Kürze, sondern auch wegen des philosophischen Geistes und gesunden Sinnes, welcher darin lebt, als musterhaft betrachtet, und die Bewohner derjenigen unter Napoleon mit Frankreich vereinigt gewesenen deutschen Länder, wo die franz. Gesetzgebung beibehalten worden ist, schätzen ihre Vorzüge sehr.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 442-443.
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