Ertrinken

[691] Ertrinken heißt der Tod eines des Athmens der atmosphärischen Luft zum Leben bedürftigen Geschöpfes durch Untersinken oder Untertauchen in Wasser oder eine andere tropfbare Flüssigkeit. Der Tod wird dabei zunächst durch Blutschlagfluß oder durch Erstickung herbeigeführt; im erstern Falle, welcher eintritt, wenn z.B. ein Mensch sehr erhitzt in kaltes Wasser fällt, erfolgt er fast augenblicklich und noch bevor es zur Erstickung kommen kann, in letzterm Falle dagegen langsamer und unter den beim Er stick en (s.d.) gewöhnlichen Erscheinungen, nur mit dem Unterschiede, daß diese hier sehr rasch aufeinander folgen. Sie sind zugleich von vielfachen Bewegungen der Gliedmaßen begleitet, durch die der Gefährdete irgend einen zur Rettung behülflichen Stützpunkt in der Tiefe zu gewinnen versucht. Bei Menschen, die nicht schwimmen gelernt haben, entsprechen jedoch diese Bewegungen meist ihrem Zwecke so unvollkommen, daß sie selten einen glücklichen Erfolg haben. Ihre Dauer steht gewöhnlich in geradem Verhältnisse zu der Geistesgegenwart und den körperlichen Kräften des Ertrinkenden. Thiere schwimmen meist von Natur und wissen sich daher eher aus der Gefahr des Ertrinkens zu retten. Zu den Umständen, welche bei im Wasser Verunglückten die Erhaltung des Lebens am meisten begünstigen, gehört erfahrungsgemäß der häufig dabei eintretende Zustand von Ohnmacht, doch bleibt schnelle Rettung aus dem Wasser vor Allem nöthig, die aber mit einer gewissen Behutsamkeit und ohne den Verunglückten dabei stark zu rütteln, geschehen muß. Das leider sehr übliche Stürzen auf den Kopf muß durchaus unterbleiben; dagegen reinige man Mund und Nase sogleich und sorgfältig von etwaigem Schlamme, Schmuze und Wasser, trage hierauf den aus dem Wasser Gezogenen, wenn es ungünstige Witterung nicht erlaubt, die Rettungsversuche sogleich unter freiem Himmel vorzunehmen, in das nächstgelegene Haus, entkleide ihn, wenn er es nicht schon ist, ohne den Körper dabei viel zu bewegen und umzuwenden und schneide deshalb die fest anliegenden Kleidungsstücke ohne Umstände auf. Dem entkleideten Körper gibt man eine sitzende Stellung mit etwas nach vorn geneigtem Oberkörper und herabhängenden Füßen und bringt ihn, nachdem er auf das Genaueste besichtigt worden, ob sich etwa Verletzungen an ihm vorfinden, in ein mehr oder weniger warmes, im Allgemeinen der Jahreszeit angemessen einzurichtendes Bad. In demselben wird der ganze Körper von den Füßen aus mit Flanell gerieben und mit in Öl getauchten Bürsten gebürstet; während dies aber geschieht, muß das Bad durch beständiges Zugießen warmen Wassers immer gleich warm erhalten werden. Gestatten die örtlichen oder häuslichen Verhältnisse nicht, ein warmes Bad vorzurichten, so trockne man den gewöhnlich sehr kalten und steifen Körper wenigstens mit erwärmten Tüchern sorgfältig ab, hülle ihn in wollene Decken, umgebe ihn mit Wärmflaschen, bemühe sich insbesondere, die Herzgrube und das Rückgrath einigermaßen zu erwärmen, setze aber deshalb das Reiben der Gliedmaßen, der Herzgrube und des Rückgraths nicht aus, bringe auch die Füße in ein geschärftes warmes Fußbad und wende wol auch reizende Klystiere an. In Mund und Nase blase man mit Vorsicht Luft ein. Ist der Verunglückte jung, dem Anschein nach vollblütig und die Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß derselbe vom Blutschlagfluß betroffen worden, so öffne man ihm eine Ader, doch dürfte dies nur selten nöthig sein. Beginnt er zu athmen, so tröpfele oder reibe man ihm geistige und ätherische Mittel in die Herzgrube, wasche die Schläfe damit, halte ihm starke Riechmittel vor die Nase u.s.w.; kann er aber erst schlucken, so gebe man ihm einige Tassen eines warmen Thees mit einigen Tropfen Hoffmann'schen Geistes, und gibt sich Neigung zum Erbrechen kund, so suche man dies nöthigenfalls durch Darreichung eines Brechmittels zu befördern; stellen sich aber ein sanfter Schlaf und Schweiß ein, so störe man diese ja nicht durch fernere Belebungsversuche. In Fällen schwerer Art, in denen das eben angegebene Verfahren keinen Erfolg zu haben scheint, zeigt sich zuweilen noch das sogenannte Aschenbett. hülfreich. Dies besteht darin, daß man den nackten Körper des Ertrunkenen auf eine wollene, mit einer Lage durchgesiebter warmer Asche bestreute Decke bringt, ihn dann noch handhoch mit Asche bedeckt und über diese wollene Decken breitet, wobei jedoch der Kopf frei bleiben muß, auch die Brust nicht zu sehr beschwert werden darf. Im Winter im Wasser Verunglückte sind wie Erfrorene zu behandeln. (S. Erfrieren.)

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 691.
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