Flüe

[64] Flüe (Nikolaus von der), später Bruder Claus genannt, wurde 1417 zu Sachseln, einem Dorfe im schweiz. Canton Unterwalden, geboren. Er ist ebenso berühmt durch seine Rechtschaffenheit und Frömmigkeit, welche den Papst Clemens X. bewog, ihn 1671 heilig zu sprechen, als durch die Verdienste, welche er sich um sein Vaterland erwarb. Er bewirthschaftete früher mit seinen Ältern und nachher mit seinen Kindern, deren er 10 hatte, ein Gut in seinem Geburtsdorfe. In mehren Kriegszügen, die er mitmachte, erwarb er sich durch Tapferkeit und Menschlichkeit die Achtung seiner Landsleute, und als diese ihn zum Landrathe des Cantons beriefen, zeichnete er sich durch Verstand und Rechtschaffenheit aus. Man trug ihm später die Stelle eines Landammans an, aber er schlug sie aus und zog es vor, nachdem er allen Pflichten eines Staatsbürgers genug gethan, das beschauliche, zurückgezogene Leben eines Einsiedlers zu führen. Er besprach sich mit seinem Weibe und begab sich in eine Einöde in der Nähe von Sachseln. Hier lebte er in der tiefsten Einsamkeit mit Gebet und stillen Betrachtungen beschäftigt. Es hieß, er genieße gar keine irdische Speise, sondern nur monatlich einmal das Abendmahl. Aber wer Trost und Rath nöthig hatte, suchte und fand Beides bei dem weisen Greise, der allgemeine Verehrung genoß und in dem ganzen Lande in dem Rufe der Heiligkeit stand. Die schweizer. Eidgenossen hatten sich 1481 zu Stanz in Unterwalden zu einer Tagsatzung versammelt, aber es herrschte Uneinigkeit und Mistrauen unter ihnen. Die Einen glaubten sich von den Andern bei Theilung der bei Nancy von den Burgundern gemachten Beute übervortheilt und man stritt, ob Freiburg und Solothurn in den Bund aufzunehmen wären, welches die großen Städte verlangten, die kleinern Cantone verweigerten. So erbittert waren die Gemüther, daß die schweizer. Eidgenossenschaft in Gefahr stand, sich aufzulösen und die schwer errungene Freiheit Preis zu geben. Da tritt plötzlich der fromme Claus in die Versammlung. Der Ruf seiner Heiligkeit, seine Ehrfurcht gebietende Gestalt und vor Allem die kräftigen, weisheitsvollen Worte, die er redete, bewirkten alsbald eine Versöhnung, welche das in der Geschichte der Schweiz hochwichtige Grundgesetz: »Das Verkommniß zu Stanz« am 22. Dec. 1481 und die Aufnahme von Freiburg und Solothurn in den Schweizerbund zur Folge hatte. So wurde Claus der Retter seines Vaterlandes in der schlimmsten Gefahr und nachdem er noch manches mit sich selbst entzweite Gemüth mit Gott und sich selbst versöhnt hatte, starb er, von allen Eidgenossen betrauert, am 22. Mai 1487. Ganz Unterwalden geleitete seine Leiche zu Grabe.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 64.
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