Hagel

[309] Hagel, Schloßen, Graupel bezeichnen dieselbe Naturerscheinung, daß Eiskörper statt des Regens vom Himmel fallen, und unterscheiden sich nur durch die Größe dieser Eiskörper. Die Hagelkörner oder Schloßen sind größer als die Graupeln. Im Innern derselben ist stets ein Schneekern, wogegen die äußere Hülle klares und durchsichtiges Eis ist. Die Ursache der Hagelbildung ist die, daß in höhern Regionen oberhalb der Erdoberfläche sich Regentropfen bilden, welche während des Falles durch kältere Regionen dringen, innerhalb deren sie zu Eis gefrieren. Die Hagelkörner und Graupeln sind daher in Wahrheit gefrorene Regentropfen, während der Schnee sich so bildet, daß die dunstförmig in der Luft enthaltenen Wassertheilchen sogleich in Gestalt äußerst seiner Eiskrystalle zusammenschießen; daher ist der Schnee flockig, während die Schloßen fest und hart sind. Die Größe dieser Eiskörper ist ungemein verschieden; am größten werden sie, wenn während des Falles mehre Hagelkörner sich vereinigen, aneinanderfrieren und auf diese Weise eine Art von Eisball bilden. Man hat Schloßen beobachtet, welche die Größe einer geballten Faust hatten und nicht selten solche von der Größe der Hühnereier. Ins Unglaubliche gehen Nachrichten, wie die, daß 1802 in Ungarn während eines Hagelwetters ein viereckiger Eisklumpen herabgefallen sei, welcher 3 F. lang, 3 F. breit und 2 F. hoch war und den acht Männer nicht aufzuheben vermochten. Nicht weniger merkwürdig ist es, daß man zuweilen Hagelkörner beobachtet hat, welche fremdartige Körper eingeschlossen enthielten, z.B. Spreu, Asche, Sand, Schwefelkies. Gewöhnlich hegt man die Meinung, der Hagel falle stets nur bei Tage, niemals des Nachts; allein eine Menge von Beispielen beweisen die Unrichtigkeit dieser Annahme. Die meisten Hagelwetter kommen in Deutschland im Frühjahre vor, die wenigsten im Winter, wo sie zu den Seltenheiten gehören, weil sie sich vermöge der atmosphärischen Bedingungen im Winter nur selten auszubilden vermögen. In manchen Gegenden ist der Hagel ungemein selten, in andern wiederum sehr häufig, welches größtentheils eine Folge der Lage solcher Orte ist. Man hat die Bemerkung gemacht, daß in Gebirgsgegenden, in denen die Kretins vorkommen und wo Kröpfe häufig sind, die Hagelwetter sehr selten sind. Flachen in der Nähe hoher Gebirge sind dem Hagel dagegen sehr ausgesetzt. Die Gegenden in der Nähe des Äquator kennen den Hagel fast gar nicht und auch im hohen Norden ist der Hagel, wenigstens der großkörnige, selten. Dem Ausbruche eines Hagelwetters geht häufig ein eigenthümliches Geräusch voraus, das theils eine Folge der aneinander schlagenden Hagelkörner, theils der jedes Hagelwetter begleitenden starken Luftströmungen sein mag. Die Hagel tritt gewöhnlich mit Gewittern auf und zwar oft mit sehr heftigen. Von andern Gewitterwolken unterscheiden sich die Hagelwolken durch große Dichte und eine eigenthümliche Färbung und Gestalt. Sie sind an den Rändern zerzaust und haben auf der Oberfläche gleichsam Auswüchse, wie wenn sie geschwollen wären. Das Hagelwetter selbst tritt gewöhnlich nach einem heftigen Donner mit dem Herabfallen sehr großer Regentropfen ein, denen bald Schloßen folgen, die in einzelnen, kurz anhaltenden Schauern fallen. Durch die dicken Wolken entsteht eine ungewöhnliche Dunkelheit; heftige Blitze werden von furchtbaren Donnerschlägen begleitet. Je stärker der Wind ist, mit desto größerer Gewalt fällt der Hagel herab. Wie gegen die Gewitter, so hat man auch gegen die Hagelwetter Ableiter angelegt und zwar auch eine Art von Blitzableitern, weil man der Meinung war, die Elektricität wäre wenigstens großentheils Ursache des Hagels. Da aber vielmehr die Elektricität, welche in den begleitenden Gewittern auftritt, die Folge der Reibung der Schloßen an der Luft ist, so bewirken jene Ableiter wol, daß der Blitz keinen Schaden anrichtet, verhindern aber nicht die Bildung des Hagels. Von wohlthätigern Folgen sind die Hagelversicherungsanstalten oder Hagelassecuranzen gewesen. Diese bestehen nämlich aus einer ungeschlossenen Gesellschaft von Grundbesitzern, welche untereinander übereingekommen sind, den einen oder einige von ihnen treffenden, durch Sachverständige taxirten Hagelschaden gemeinschaftlich zu tragen. Die jährlichen Beiträge richten sich bei diesen Gesellschaften nach der Größe des gesammten durch Hagelwetter auf den versicherten Grundstücken angerichteten Schadens, und dieselben werden nach der verhältnißmäßigen Größe jener Grundstücke vertheilt. Der Beschädigte erhält nach Taxe Entschädigung in Geld. Eine andere Art von Hagelassecuranzen sind die, bei denen einige Capitalisten die Entschädigungen gegen Einzahlung eines gewissen jährlichen Beitrags, der sich nur nach der Größe und Beschaffenheit des zu versichernden Grundstücks richtet, übernehmen. Die erste Hagelassecuranz wurde 1797 zu Neu-Strelitz errichtet. Seit dieser Zeit haben sich noch viele andere, z.B. in Hamburg, Leipzig, Halberstadt, Berlin und an andern Orten gebildet.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 309.
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