Influenza

[444] Influenza, Grippe sind gleichbedeutende Benennungen für ein epidemisch herrschendes, eigenthümliches Katarrhalfieber. Seit dem Jahre 1323 sind bis jetzt einige 30 Epidemien derselben (jedoch nie gleichzeitig mit andern größern Epidemien) beobachtet worden. Sie charakterisirt sich hauptsächlich durch plötzliches Auftreten, schnelles Umsichgreifen und entschiedene Neigung, in sogenannte nervöse Krankheitszustände überzugehen und Nachkrankheiten, besonders der Brust, zu hinterlassen. Der Erkrankende beklagt sich über Frösteln, das mit fliegender Hitze abwechselt, über Unbehaglichkeit, Mattigkeit, namentlich in den Beinen, Ziehen und Reißen in den Gelenken, ein Gefühl von Schwere, Eingenommenheit und Druck im Kopfe, Flimmern vor den Augen, Schwindel, Gesichtstäuschungen, Sausen in den Ohren. Allmälig nimmt der Kopfschmerz, der vorzüglich in der Stirne und über den Augen seinen Sitz hat, zu, die Augen beginnen zu thränen, das Weiße in denselben röthet sich, die Augenlider schwellen an, der Blick wird trübe, das Gesicht roth und aufgedunsen, die Schleimhaut der Nase schwillt an, wird schmerzhaft und trocken, sondert aber bald unter öfterm Niesen eine scharfe Feuchtigkeit ab, die sich später in einen dicklichen, zähen Schleim verwandelt. Dazu gesellen sich häufiges, trockenes Hüsteln, das nach und nach in einen im Beginn ebenfalls trockenen, weiterhin mit wässerig schleimigem, zuweilen blutigen Auswurfe verbundenen Husten ausartet, das Schlingen wird beschwerlich und schmerzhaft, die ganze innere Mundhöhle, namentlich aber der Gaumen, das Gaumensegel und Zäpfchen, die Mandeln, der Schlund erscheinen röther als gewöhnlich und aufgetrieben, die Zunge entweder rein und dann ebenfalls ungewöhnlich geröthet oder, was öfter der Fall ist, weißlich oder gelblich belegt, alle genannten Theile aber in Kurzem mit einem zähen Schleime überzogen. Außerdem beschwert sich der Kranke über faden Geschmack, Mangel an Appetit, Übelkeiten, erbricht sich wol auch wirklich, ist verstopft, hat zuweilen Schmerzen im Unterleibe, eine Empfindung von Rauhigkeit und Kitzeln im Halse, eine heisere Stimme, Herzklopfen, Ängstlichkeiten, Beklemmung, kurzen Athem, Seitenstiche, wobei der Puls gewöhnlich etwas beschleunigt, immer aber gereizt, schnell und härtlich, der entleerte Urin im Anfange sparsam und hochroth, die Haut heiß und trocken, erst später feucht, der Schlaf unruhig und von Träumen unterbrochen ist. Schwerere Erkrankungsfälle zeichnen sich überdies durch eine außerordentliche Hinfälligkeit, auffallende Unruhe, vorübergehende Bewußtlosigkeiten, Irrereden, leichte Zuckungen und Betäubung aus. Nach einer Dauer von 3 bis höchstens 14 Tagen geht indeß die Krankheit gewöhnlich in Gesundheit über und zwar unter kritischer Schleimabsonderung durch die Nase, aus der Mundhöhle, namentlich dem Schlunde, Rachen, dem Kehlkopfe, der Luftröhre und den Lungen, zuweilen auch durch den Darmkanal, unter reichlichen, säuerlich riechenden Schweißen, vermehrtem Abgange des Urins, manchmal auch unter Eintritt von heftigem Nasenbluten. Wird die Krankheit jedoch vernachlässigt, so zieht sie sich zuweilen in die Länge oder macht öftere Rückfälle und hinterläßt Nachkrankheiten, besonders einen hartnäckigen und die Brust sehr angreifenden Husten. Auch die Hausthiere, namentlich Pferde und Hunde, werden gleichzeitig mit dem Menschen von dieser Epidemie befallen, welche in mittlern Städten gewöhnlich 4–8 Wochen dauert. Bei uns tritt die Influenza am häufigsten in den Monaten Febr., März und April auf. Ganz vorzüglich scheint ihre Entstehung durch häufigen Witterungswechsel begünstigt zu werden, insbesondere durch plötzlichen Übergang trockenen, kalten Wetters in wärmeres und feuchtes, wozu vielleicht noch ein eigenthümliches Mischungsverhältniß der Atmosphäre, ein sogenanntes Miasma, wesentlich beiträgt. Nächste Veranlassung zum Ergriffenwerden ist Erkältung durch Zugluft, unzweckmäßige Bekleidung u.s.w. Ob die Krankheit einen eigentlichen Ansteckungsstoff entwickele, durch welchen sie sich fortpflanze, ist für jetzt noch unentschieden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 444.
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