Kammer

[538] Kammer bezeichnet im Allgemeinen einen abgeschlossenen Raum, hat aber noch eine besondere Bedeutung in Bezug auf das Vermögen des Staatsoberhauptes erlangt. Man nannte nämlich Kammer die Gesammtheit der Verwaltung des Vermögens und der Einkünfte des Fürsten, sowol derjenigen, welche er als Privatmann besaß, als derjenigen, die ihm nur in seiner Eigenschaft als Oberhaupt des Staates zustanden. Die Oberleitung der Kammer pflegte einem Kämmerer übertragen zu sein. Allmälig erweiterte sich mit der Macht der Fürsten der Einfluß der Kammer, bis die ganze Verwaltung der innern Staatswirthschaft von ihr abhängig wurde. Erst in neuerer Zeit hat man wieder eine Sonderung zwischen dem Privatvermögen des Fürsten und dem Staatsvermögen zu machen gesucht. (Vgl. Domainen.) Über das erstere hat der Fürst frei, wie jeder Privatmann, zu verfügen, über das letztere nicht und dasselbe geht auf den jedesmaligen Thronerben über. Die Staatsverwaltung und die mit derselben beauftragten Behörden sind in neuerer Zeit streng von der Gerechtigkeitspflege und den mit dieser beauftragten Behörden gesondert worden, und man hat diejenigen, welche sich dem Verwaltungssache widmen, Kameralisten, die Gesammtheit der ihnen nöthigen Kenntnisse aber Kameralwissenschaften genannt. Da die Gegenstände der Verwaltung so unendlich mannichfaltig sind, indem nicht allein die Verwaltung der Domainen, des Steuerwesens, der Staatsschulden, des Forstwesens, des Militairs, sondern auch der Policei, der Kirchen- und Schulangelegenheiten, des öffentlichen Medicinalwesens, des Bergbaus, der öffentlichen Bauten u.s.w. hierher gehören, so ist der Umfang der Kameralwissenschaften außerordentlich groß und können dieselben von den Einzelnen nur in einzelnen Fächern gründlich betrieben werden. – Das vom Könige in eigner Person abgehaltene Gericht hieß ursprünglich Kammergericht. Zur Verwaltung desselben setzte Kaiser Friedrich II. einen eignen Kammerrichter ein und behielt sich nur vor, in wichtigen, die Reichsfürsten betreffenden Angelegenheiten selbst zu Gericht zu sitzen. Unter Kaiser Maximilian I. wurde diese Einrichtung zeitgemäß verbessert, indem ein bleibendes oberstes Gericht als des Kaisers und des Reichs Kammergericht 1495 zu Stande kam. Dasselbe hatte nicht allein die Handhabung des Rechts im ganzen Reiche zu beaufsichtigen, sondern namentlich auch auf Ausgleichung der Streitigkeiten der Stände des Reichs untereinander [538] zu sehen, damit die früher in Deutschland so vielfache Selbsthülfe und Selbstrache unterbliebe. Nachdem das Kammergericht längere Zeit abwechselnd in verschiedenen Reichsstädten sich aufgehalten hatte, nahm es endlich 1526 seinen festen Sitz im Speyer und durch den Krieg von hier vertrieben, 1689 in Wetzlar, wo es bis zu seiner und des deutschen Reichs 1806 erfolgter Auflösung blieb. Dasselbe hat ungemein viel zur Befestigung des Rechtszustandes in Deutschland beigetragen, sollte eigentlich 50 Beisitzer haben, welche jedoch niemals vollständig waren, und stand unter der Leitung zweier Präsidenten und eines Kammerrichters, der ein Fürst oder Graf des Reichs war. Es litt namentlich an zwei Mängeln, an Schwerfälligkeit der ihm vorgeschriebenen Formen und an gegen den von ihren Beamten gefoderten Aufwand zu geringen Besoldungen. Die Folge des ersten Mangels war eine sprüchwörtlich gewordene Langsamkeit des Proceßganges und eine allmälig fast unüberwindlich gewordene Anhäufung der Geschäfte; die des zweiten die Bestechlichkeit, welche dem Gerichte ebenfalls zum großen Vorwurfe gemacht worden ist, jedoch nur darin bestand, daß man durch Geschenke zu bewirken suchen mußte, seine Angelegenheiten früher in Vortrag gebracht zu sehen. – In den Städten wird die Verwaltung der städtischen Einkünfte Kämmerei genannt.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 538-539.
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