Wechselfieber

[675] Wechselfieber, kaltes Fieber, auch vorzugsweise Fieber, heißt ein intermittirendes oder aussetzendes Fieber, welches aus einer Reihe von zu bestimmten Stunden eintretenden Fieberanfällen besteht. Jeder derselben beginnt mit Mattigkeit, Ziehen und Frösteln im Rückgrath, worauf zunehmender Frost folgt, während welchem die Finger absterben, Nägel und Lippen blau werden, die Kranken beständig zittern und mit den Zähnen klappern. Heftiger Durst, Übelkeiten und Erbrechen, Angst, kurzer Athem und andere Beschwerden sind mitunter Begleiter dieses Zustandes, der mit mehr und weniger Heftigkeit eine halbe bis sechs Stunden anhält und dann in mehr oder minder starke Hitze übergeht. Diese hält bei gesteigertem Durst, glühend rothem Gesicht, Kopfschmerz, zuweilen Irrereden selten über zwei Stunden an und endigt [675] gewöhnlich mit allgemeiner, reichlicher Absonderung eines warmen, säuerlich riechenden Schweißes. Der Kranke verfällt in Schlaf und erwacht ziemlich wohl, wechselt mit großer Vorsicht die Wäsche und verläßt das Bett fieberfrei, was er auch bis zum nächsten Anfalle (Paroxysmus) bleibt. Er kann während dieser fieberfreien Zeit in den gewöhnlichen Fällen seinen Geschäften nachgehen, fühlt sich jedoch matter als sonst und bekommt allmälig eine schmuzigbleiche oder gelbliche Gesichtsfarbe. Die Anfälle wiederholen sich bei regelmäßigen Wechselfiebern alle 24 Stunden (tägliches oder Quotidianfieber), alle 48 Stunden (dreitägiges oder Tertianfieber) und zwar ist das die am meisten vorkommende und am leichtesten zu hebende Form, alle 72 Stunden (viertägiges oder Quartanfieber), was eine besonders hartnäckige und sehr zu Rückfällen geneigte Art dieser Krankheit ist. Gewöhnliche kalte Fieber ohne sonderliche Heftigkeit der Krankheitserscheinungen sind im Allgemeinen nicht gefährlich und heben oft andere Übel, namentlich Stockungen im Unterleibe; auch sind die im Frühjahre vorkommenden leichter zu beseitigen als die herbstlichen. Ein engl. Sprüchwort nennt sogar ein Fieber im Frühjahr eine Wohlthat für einen König. Hochbejahrten Leuten und schwächlichen Personen, Wöchnerinnen und Kindern kann es jedoch leicht gefährlich werden und überhaupt in Folge übler Behandlung und Vernachlässigung langwierige Nachkrankheiten hinterlassen. Beobachtung sorgfältiger Diät, im Anfange Vermeidung aller thierischen Nahrung (Eier, Butter, Fleisch, Fisch, Käse, Bier, Kuchen) ist nothwendig. Eine Tasse leichter Kamillen- oder Fliederthee, auch Kaffee, eine Wärmflasche an die Füße, gewährt beim Frost den Leidenden Erleichterung; während der Hitze kann er dünne Limonade, Himbeerwasser, abgekochtes Wasser mit gerösteter Brotrinde, im Schweiße leichten Fliederthee oder erwärmte Limonade genießen. Verdoppelte Wechselfieber heißen solche, wo an dem bestimmten Fiebertage zwei Anfälle eintreten, verlarvte und maskirte aber solche Fälle, wo sich in eben solchen täglichen und dreitägigen Zwischenräumen anstatt des Fiebers andere, einige Stunden anhaltende Zufälle einstellen. Noch haben die Ärzte den eigentlichen Sitz, das Wesen der Wechselfieber, die demselben zum Grunde liegende Verstimmung des Organismus nicht erforscht. Der Erzeugung derselben vorzüglich günstig sind sumpfige und wasserreiche Niederungen, Küstengegenden, Wärme und die von der Fäulniß von Pflanzenstoffen herrührende Ausdünstungen, sowie verdorbene und geringe, schwerverdauliche Nahrung. Als nächste Veranlassung sind Erkältungen, Diätfehler, Gemüthsbewegungen zu betrachten. Trocken und hochgelegene Gegenden sind fast völlig frei davon und müssen zuweilen von langwierigen Fieberkranken aufgesucht werden, um ihre Genesung zu bewirken. Eine denselben günstige Erscheinung ist das Hervorkommen eines Ausschlags am Munde, sowie wenn eintägige oder viertägige Fieber in das dreitägige übergehen, wo man vom ersten sagt, es sei nachsetzend und das andere als vorsetzend bezeichnet. Die wesentlichsten ärztlichen Mittel zur Vertreibung des Fiebers werden aus der Chinarinde (s.d.) bereitet, es gibt aber auch eine Menge von sympathetischen und Hausmitteln, letztere zum Theil sehr ekelhafter Art, die theils berechnet sind, die Einbildungskraft in Anspruch nehmen, theils Erbrechen oder Schweiß zu erregen und vielfach nützliche Dienste leisten.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 675-676.
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