Wirth

[741] Wirth (Joh. Georg Aug.), einer von den politischen Schriftstellern, welche sich an die Spitze der im südl. Deutschland nach 1830 anhebenden Bewegung im Volke zu stellen und ihr eine radicale Richtung (s. Radical) zu geben versuchten, ist 1799 in Hof geboren und war nach zurückgelegten juristischen Studien im bair. Staatsdienste angestellt. Er legte jedoch 1829 sein Amt nieder, fing in Baireuth an, eine Zeitschrift »Der Kosmopolit« herauszugeben, die er in München bis 1831 fortsetzte, dann aber für die Cotta'sche Buchhandlung die Redaction der Zeitschrift »Das Inland« führte. Die Regierung begünstigte dieses Blatt, ohne der Meinung des Herausgebers bestimmte Schranken zu setzen; auch beobachtete W. anfangs eine gemäßigte Haltung. Als er aber anfing, gesetzliche Preßfreiheit mit steigender Leidenschaftlichkeit zu fodern, von der Censur gestrichene Stellen in censurfreien Flugblättern verbreitete, Geschworenengerichte und Gewerbfreiheit eingeführt wissen wollte, die Kammern zur Verweigerung der Steuern auffoderte, wenn die Censur nicht aufhöre, mußte das »Inland« im Jun. 1831 eingehen. W. gründete sogleich ein neues, für ganz Deutschland berechnetes Blatt, »Die deutsche Tribune«, und da diesem bei noch entschiedenerer Richtung bald Hindernisse in den Weg gelegt wurden, gab er es von 1832 an in Homburg in Rheinbaiern heraus, wo die gesetzlichen Formen ihn gegen die in Altbaiern unvermeidlichen, policeilichen Belästigungen schützten. Allein W.'s zunehmend heftige Angriffe auf Monarchie, deutsche Bundesverfassung, republikanische Foderungen, wie z.B. die einer allgemeinen deutschen National- und Volkskammer, führten im März 1832 das Verbot der »Tribune« vom Bundestage herbei. In einem Aufrufe an die Vaterlandsfreunde in Deutschland stellte er nun die Volkshoheit als Grundlage jeder politischen Umgestaltung Deutschlands auf, hielt beim hambacher Feste am 27. Mai eine Rede für deutsche Nationaleinheit und foderte alle Patrioten auf, sich unter dem Schutze der Gesetze zum Ringen nach den höchsten Gütern zu verbinden, erhielt auch am [741] Schlusse seiner Rede ein deutsches Schwert von einigen Frankfurtern als Ehrengeschenk überreicht. Mit mehren Theilnehmern jenes Festes im Jun. verhaftet, nach Zweibrücken gebracht und in gerichtliche Untersuchung gezogen, sowie 1833 zu Landau mit der Anklage vor die Assisen gestellt, durch Schrift und Rede zum Umsturz der deutschen Verfassung aufgereizt zu haben, ward er mit seinen Gefährten von den Geschworenen im Aug. nicht schuldig gefunden. W. erhielt jedoch seine Freiheit nicht sogleich wieder, weil er beim Zuchtpoliceigericht der Beleidigung in- und ausländischer Behörden in Rede und Schrift angeklagt war und deshalb im Nov. zu zweijährigem Gefängnisse verurtheilt wurde. Als man ihn deshalb im Apr. 1834 nach Kaiserslautern brachte, ward der von Gendarmen begleitete Wagen in der Nähe von Homburg von Bewaffneten angegriffen, um W. zu befreien, was aber nicht gelang. Nach überstandener Strafe in Kaiserslautern, wo er auch die Schrift »Die politische Reform Deutschlands« (Strasb. 1832) verfaßte, mußte W. noch in Passau eine Contumazstrafe von sechs Wochen erleiden, und lebte dann in Hof mit literarischen und juristischen Arbeiten beschäftigt, allein unter policeilicher Aufsicht, daher er am 30. Dec. 1836 nach Frankreich entfloh, später in der Schweiz lebte und 1840 eine zu Konstanz herauskommende Zeitschrift »Die Volkshalle« redigirte, in der er wie zu jeder Zeit auch franz. Anmaßungen Deutschland gegenüber aufs entschiedenste begegnete. Seinen Meinungen ist W. bisher in allem Ungemach mit der ihm von jeher eignen, jede Rücksicht verschmähenden Charakterfestigkeit treu geblieben.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 741-742.
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