Niobe (Mythologie)

[437] Niobe (Mythologie), die durch ihr unglückliches Geschick bekannte Tochter des Tantalos, Amphions, des tonkundigen Königs von Theben, Gemahlin. Niobe war glücklich, ein blühendes Geschlecht von Kindern umgab sie; sechs Söhne und sechs Töchter waren ihre Freude, ihr Stolz. Amphion herrschte gemeinschaftlich mit seinem Bruder Zethos, dessen Gattin Aëdon die Niobe um ihren Kindersegen beneidete und den grausamen Entschluß faßte, einen Sohn Niobe's zu[437] tödten. Vom Irrthum verblendet, ermordete sie Itylos, ihren eigenen Sohn, und ward von Verzweiflung ergriffen; nimmer endeten ihre Klagen, bis die Götter sie in eine Nachtigall verwandelten. Niobe hätte für den Schutz, den die Gnade der Himmlischen ihrem Kinde angedeihen ließ, dankbar sein sollen, aber ihr Glück machte sie übermüthig und ward ihr Verderben. Im Stolze ihres Muttergefühls prieß sie sich einst reicher wie Leto, die Mutter Apollons und der Artemis, und solche Beleidigung ließ keine Göttin ungerächt. Leto beschwor ihre Kinder, die der Niobe umzubringen. Da endet Apollon seine Todespfeile in die Brust der Söhne, und von Artemis Bogen schnellt der geflügelte Tod in die Herzen der Töchter. Verzweiflungsvoll flehte Niobe zu den Göttern um Schonung nur einiger, nur eines einzigen Kindes, alle, alle sanken sie hin, und lagen neun Tage in ihrem Blute, denn Zeus verwandelte die Menschen in Stein, die sie bestatten wollten. Am zehnten Tage begruben die Götter selbst die um ihrer Mutter Schuld Gerichteten. Die verzweifelnde Mutter überlebte den Fall aller ihrer geliebten Kinder, bis sie endlich auf dem einsamen Felsen Sipylos von den Göttern in Stein verwandelt wurde. Dieses schreckliche Geschick und diese furchtbare Rache der Götter haben oft Künstlern Anlaß zu ergreifenden Darstellungen gegeben, von denen jene Gruppe die berühmteste ist, welche zu Rom im Giebelfelde eines Apollotempels stand und 1583 aufgefunden wurde. Diese befindet sich jetzt in Florenz, und besteht aus der Niobe, die ihre jüngste Tochter im Schooße hält, dem sogenannten Pädagogen, und 13 andern männlichen und weiblichen Statuen, die wohl nicht alle ursprünglich zur eigentlichen Gruppe gehörten. Dieß berühmte Kunstwerk wird dem Praxiteles oder auch dem Skopas zugeschrieben. Im Niobiden-Saale der Glyptothek zu München findet sich, doch unvollendet, ein sterbender Niobide.

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Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 7. [o.O.] 1836, S. 437-438.
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