Strafen

[950] Strafen. In altgermanischer Zeit ging die Ausübung der Strafgewalt vom obersten Gericht, der Gauversammlung aus; doch wurden nur die schweren Verbrechen, wie Verrat, Übergang zum Feind, Feigheit oder Flucht, mit dem Tode bestraft, alle übrigen durch Vermögensbussen gesühnt. Neben der Strafgewalt der Gemeinde stand das Fehderecht der Familie, dessen kräftigster Ausdruck die Blutrache war. Von den Vermögensbussen fiel ein Teil, Komposition oder Busse genannt, an den Verletzten zur Genugthuung für das erlittene Unrecht, der andere Teil, der Fredum oder Wette hiess, an das Gemeinwesen zur Sühne des verletzten Friedens; später trat noch der Bann als Sühne des verletzten Königsfriedens dazu. Besass der zu Büssende kein Vermögen, so büsste er durch körperliche Züchtigung oder musste dem anderen seinen Leib für die Schuld verpfänden oder sich ihm in Knechtschaft ergeben oder endlich, wenn nicht Verwandte und Freunde für ihn eintraten, mit dem Leben herhalten. Sklaven oder leibeigene Knechte lagen durchaus in der Gewalt des Herrn.

Mit der Zeit nahm das Strafrecht eine andere Richtung an. Für die römische Bevölkerung der germanischen Reiche blieb das römische Strafrecht in Anwendung; das Christentum, das den Grund der Strafe auf den Begriff der Gerechtigkeit und dessen Zusammenhang mit der sittlichen Weltordnung zurückführte und zum Teil das mosaische Recht anerkannte, dann die höhere Vorstellung von den Pflichten des königlichen Amtes, endlich das Bedürfnis, die allgemeine Ordnung und Sicherheit durch Strafen zu stärken, alles dies rief ein auf harte Lebens- und Leibesstrafen gebautes Strafrecht hervor. Dasselbe bildete sich vorherrschend lokal und zum Teil willkürlich aus, und erst seit dem 15. Jahrhundert wurden in Deutschland, beeinflusst von der italienischen Jurisprudenz, zusammenhängende Systeme versucht.[950]

Was die besonderen Strafen betrifft, so sind zu unterscheiden:


A. Vermögensstrafen.

1. Komposition oder Wergeld, vgl. den Art. Wergeld.

2. Das Fredum oder die Wette war das Strafgeld, das zur Sühne des verletzten Friedens ursprünglich an das Volk, später an den König entrichtet wurde. Komposition und Fredum gehören zusammen, so zwar, dass in jener der Begriff der persönlichen Genugthuung, in diesem der Begriff von Strafe vorherrscht. Die Grösse des Fredum betrug gewöhnlich ein Drittel der Komposition.

3. Der Bann ist die Busse, welche wegen des Ungehorsams gegen ein königliches Banngebot zu entrichten war; sie betrug regelmässig 60 Solidi. Wer die Bannbusse nicht zahlen konnte, erhielt 60 Hiebe.

4. Konfiskation des Vermögens war ursprünglich immer mit der Friedlosigkeit verbunden, später kam sie in der Verbindung mit der Verbannung oder der Todesstrafe oder auch selbständig vor.


B. Lebens- und Leibesstrafen.

I. Die Todesstrafe. Tacitus Germ. erwähnt zweier bei den Germanen angewendeter Todesstrafen, des Aufhängens und des Versenkens in Moor und Sumpf; es ist kein Zweifel, dass noch andere Todesstrafen daneben bestanden haben, welche aber, wie dies auch später vorkam, nach jeweiliger Rechtsanschauung und der besonderen Sitte eines Volksstammes verschieden waren. Fand auch eine gewisse Beziehung statt zwischen der Natur des Verbrechens und der Art der zu wählenden Todesstrafe, so war doch der Sitte und Willkür in diesen Zeiten hier ein grosser Spielraum gelassen.

1. Enthaupten scheint die gewöhnlichste Todesstrafe gewesen zu sein; die Enthauptung geschah mit Barte und Schlegel: der Verurteilte legte seinen Hals auf einen Block, die Barte (Beil) wurde darüber gehalten und mit dem Schlegel ein Schlag gethan. Die Anwendung des Schwertes scheint edler und kriegerischer. Alte Sitte scheint es, dass das gefallene Haupt in die Höhe gehoben und gezeigt oder auf einem Speer umhergetragen wurde. Alle übrigen Strafen scheinen mehr als qualifizierte gegolten zu haben, die bei solchen Verbrechen zur Anwendung kamen, wo neben der unrechten Gewalt auch eine böse und niedrige Gesinnung vorhanden war.

2. Die weitverbreitetste, am meisten übliche von diesen scheint das Hängen gewesen zu sein, nach alten Formeln: in der Luft reiten, die Luft über sich zusammenschlagen lassen, den Ast bauen, den dürren Baum reiten. Uralt ist und in alten deutschen Mundarten verbreitet das Wort ahd. galgo, Galgen; ausser dem Galgen benutzte man bestimmte laublose Bäume oder, wenn diese ausstarben, eingerammelte Stämme und Pfähle. Statt der hänfenen Seile drehte das einfache Altertum Zweige von frischem, zähem Eichen- oder Weidenholz, mhd. rîs, wit (Holz) und wide. Uralte Sitte scheint Verhüllung des Antlitzes, oft mit einem schwarzen Tuch. Das Gesicht des Verbrechers wurde nach Norden gerichtet. Die Strafe wurde meist in der Art vollzogen, dass der Tod sogleich beim Aufknüpfen selbst erfolgte. In der Schaustellung des Missethäters lag ein erschwerendes Moment dieser Strafe, daher der Galgen an offener Heerstrasse oder bei einem Scheidewege aufgestellt wurde; höher hängen war noch eine besondere Erschwerung. Eine altertümliche Erschwerung der Galgenstrafe war es auch, dass Wölfe[951] oder Hunde neben dem Verurteilten aufgehängt wurden. Hängen war die eigentliche Diebstahlsstrafe. Frauen sollten nicht gehängt werden, sondern statt dessen dem Verbrennen, Ertränken und Steinigen unterliegen. Sonst gilt Hängen nächst der Hinrichtung im Verhältnis zu den anderen üblichen Todesstrafen als minder harte Strafe.

5. Rädern oder Radebrechen, aufs Rad legen, kommt ebenfalls sehr früh vor. Die Strafe bestand darin, dass die Glieder des Missethäters mit einem Rade zerstossen, der Verurteilte mit zerbrochenen Gliedern aufs Rad geflochten und so auf einem Pfahl oder Galgen ausgestellt wurde. Grimm vermutet, dass das Zerstossen der Glieder mit dem »neun- oder zehnspeichigen Rade« erst später entstanden und man statt dessen früher mit einem Wagen über den Missethäter gefahren sei.

4. Das Verbrennen ist eine schon bei den heidnischen Sachsen und Franken bezeugte Todesart, namentlich für Zauberer und Giftmischer, später für Ketzer. Besonders nahe lag es, die Mordbrenner selbst dieser Todesart zu weihen; auch beim Ehebruch war diese Strafe üblich.

5. Steinigen wird in nordischen und fränkischen Quellen erwähnt. Der Missethäter wurde an einen Stamm oder Pfahl gebunden und mit Steinen nach ihm geworfen.

6. Lebendigbegraben erwähnt Tacitus Germ. 12. Später galt als Regel, wenn Männer gehängt und gerädert werden sollten, solle man Weiber »der weiblichen Ehre willen« lebendig begraben. Mit dieser Strafe wurde noch später oftmals das Treiben eines Pfahles durch den Leib, besonders bei Kindesmörderinnen, verbunden. Das Versenken in Moor und Pfützen, das Lebendigbegraben und selbst das Ertränken scheinen alle fast nur verschiedene Formen einer und derselben Strafart gewesen zu sein, wobei vorzüglich das heimliche Wegthun, das Entziehen eines ehrlichen Begräbnisses in Betracht kam.

7. Ertränken war vorzüglich Strafe der Frauen und Zauberinnen. Das Schwimmen der Ertränkten zu verhindern, band man ihnen Steine, Mühlsteine um den Hals; erschwert wurde die Strafe dadurch, dass man die Missethäterin in einem Sack mit Hund, Katze und Schlange zusammen ertränkte.

Die übrigen Todesstrafen sind seltener erwähnt und nicht allgemein angewendet worden:

8. Ausdärmen galt für Baumschäler und Pflugräuber.

9. Fleischschneiden aus der Brust ist Strafe des bösen Schuldners.

10. Vierteilen, mhd. zerliden; oft geschah das so, dass einzelne Glieder des Missethäters an den Schweif eines wilden Rosses gebunden und zerschleift oder dass Arme und Füsse an mehrere Pferde befestigt und diese nach verschiedenen Seiten hin getrieben wurden. Oft wird diese Strafe in den Gedichten des karolingischen Sagenkreises verhängt.

11. Zertreten von Pferden wird in nordischen Sagen erwähnt und ist dem Zerstossen der Glieder durch Wagen zu vergleichen; siehe oben 3. Rädern.

12. Sieden, in siedendem Wasser töten, scheint an Ketzern vollstreckt worden zu sein.

13. In ein steuerloses, leckes Schiff setzen, kommt bloss in Liedern und Sagen vor.

14. Tieren vorwerfen erscheint auf deutschem Boden ebenfalls bloss in der Sage.

II. Leibesstrafen. Auch die Anwendung dieser oder jener Leibesstrafe stand oft in der Willkür des Richters, wobei neben der Gerechtigkeit auch Rücksichten auf die Person, deren Stand, Gefährlichkeit u.a. leiteten. Manche dieser Strafen konnten, gleichsam als Schärfungen,[952] mit der Todesstrafe verbunden werden.

1. Verstümmelnde Strafen, wodurch der Missethäter eines Gliedes oder Sinneswerkzeuges beraubt wurde. Dahin gehören:

a) Hand- und Fussabhauen, wobei rechte Hand und linker Fuss mehr galten als die andern; jene führt das Schwert und schwingt den Speer, mit diesem tritt der Mann in den Steigbügel. In Waldweistümern kommt oft Abhauen des Daumens vor.

b) Blenden, sei es bloss eines, sei es beider Augen.

c) Abschneiden der Nase, eines oder beider Ohren oder wohl von Nase und Ohren zugleich. Besonders Sklaven mögen mit dieser Strafe belegt worden sein, weil dadurch ihrer Arbeitsfähigkeit weniger geschadet wurde.

d) Entmannung. Geisselhiebe und Entmannung waren bei den salischen Franken die beiden Strafen für Unfreie; wer bei den Friesen Heiligtümer entweiht hatte, sollte vor der Hinrichtung entmannt werden.

Weniger allgemeine und häufige Strafen derart scheinen gewesen zu sein: Ausschneiden der Zunge, besonders für Verleumder und Verräter, Abschneiden der Oberlippe mit der Nase, Ausbrechen der Vorderzähne dem gegenüber, der den andern beisst; Abschneiden oder Abhauen einzelner Finger.

2. Geisslung oder Stäupung, Aushauen des Malefikanten, der dabei an einen Pfahl gebunden oder auf eine Bank hingestreckt wurde, mit Ruten, Riemen oder Stricken auf blossem Rücken. Dadurch, dass diese Strafe nach erfolgtem Rechtsspruch, unter Aufsicht des Gerichts, öffentlich geschah, unterschied sie sich von der blossen Züchtigung, wie sie dem Herrn gegen seine Hörigen und selbst gegen die in seiner Mannschaft stehenden Familienglieder erlaubt war. Die Zahl der Hiebe wird in alten Volksrechten von 40 bis 300 gestellt. Namentlich Unfreie mussten ihre Missethat mit ihrer Haut büssen; Freie wurden nur dann dieser Strafe unterworfen, wenn sie nicht im stande waren die Busse zu bezahlen; erst mit der Zeit wurden unbedingt gewisse Missethaten mit körperlicher Züchtigung bedroht. Die körperliche Züchtigung zog, wenn ein Freier sie erlitt, den Verlust der Freiheit keineswegs nach sich; dagegen scheint, gleichsam als ein Bestandteil der Strafe selbst, das Abscheeren der Haare damit verbunden gewesen zu sein.

3. Schinden, Abziehen der Haut mit den Haaren, eine Strafe, die für sehr schimpflich galt; ausserdem war im Altertum noch ein besonderes Riemenschneiden aus der Haut als Strafe bekannt.

4. Brandmarken war nicht bloss Strafe wegen des Schmerzes und Schimpfes, sondern diente auch dazu, den einmal Verurteilten und noch anderweitig Bestraften wieder zu erkennen; es geschah meist durch Einbrennen eines Schlüssels in Wange oder Stirn.

5. Wer jemanden mit einem Messer gestochen hatte, dem sollte dasselbe Messer vor Gericht durch die Hand geschlagen werden.

6. Unvorsätzliche Mörder wurden im Mittelalter kirchlich angehalten, mit schweren Ketten oder Ringen um den Leib oder die Arme belastet, Wallfahrten zu thun In leichteren Fällen musste der Mörder wenigstens an hohen Festen entkleidet und nackt bis zum Gürtel vor der Prozession ziehen, in jeder Hand eine gebundene Rute, und sich selbst schlagen, dass es blutete, und die Bande tragen, bis sie abfielen.

III. Freiheitsstrafen. 1. Sklaverei. Wer in alter Zeit einen Friedensbruch mit Geld zu sühnen unvermögend[953] war, wurde Sklave oder Höriger seines Schuldners; ja nach einigen Gesetzen war es ihm sogar gestattet, Frau und Kinder in die Hörigkeit zu geben, um für ihn die Schuld mit abzuverdienen. Nach andern Gesetzen konnte ein Missethäter überhaupt dem Verletzten oder Nächstbeteiligten in beständige Knechtschaft hingegeben werden. Dem Grad nach scheint die Hingabe in Sklaverei der Todesstrafe am nächsten gestanden zu haben. In deutschen von der Kirche beeinflussten Volksrechten wird auch Sonntagsentheiligung und Ehebruch mit dieser Strafe belegt.

2. Verbannung. Während die Flucht aus dem Lande früher eine notwendige Folge des Friedensverlustes war, um dadurch der verhängten Strafe der Tötung oder der Hinrichtung zu entgehen, wurde die Verbannung später zu einer besondern Freiheitsstrafe. Sie erscheint aber in den Rechtsquellen mehr eine von dem König oder Herzog als höchstem Richter in den ihm geeignet scheinenden Fällen willkürlich, oft an Stelle anderer Strafarten auferlegte Strafe gewesen zu sein. Doch kommt die Verbannung auch in andern Verhältnissen vor. Wenn die Markgenossen oder Gaubewohner einen Verbrecher aus ihrer Gemeinschaft schliessen wollten, zerstörten sie ihm sein Haus: das Dach wurde abgetragen, das Thor verpfählt, der Brunnen mit Erde zugedeckt, der Ofen eingeschlagen. Häufig wurden im Mittelalter die Wohnungen von Kapitalverbrechern zerstört, abgesehen von der sonst über sie verhängten Strafe. In die Burg verurteilter Ritter wurde ein Kreuz gerissen, d.h. die Mauer von vier Seiten her durchbrochen. Der von der Grenossenschaft freier Männer Ausgeschlossene durfte fortan keinen Umgang mit ihnen haben, den Versammlungen, Gerichten und im Heidentum den Opfern nicht beiwohnen, musste, wenn er ihnen auf dem Weg begegnete, ausweichen. Mittelalterliche Formeln dafür sind einen êrlôs und rechtlôs sagen, künden, bannen, verbannen, verfesten, verweisen, verschalten, verfêmen, verzelen, aechten, einen allermenniglichen erlouben. Waldgang hiess in ältester Zeit der härteste Grad der Verbannung, der Verbannte Waldmann, Waldgänger, auch wargus = Wolf und Räuber, weil der Verbannte gleich dem Raubtier ein Bewohner des Waldes ist und gleich dem Wolf ungestraft erlegt werden darf. Verwiesene räumten barfuss, entgürtet, und einen Stab tragend das Land; ihn sollte niemand beherbergen und speisen. Die Ausschliessung aus der Gemeinschaft ging zunächst nur das engere Verhältnis an, die Mark, den Gau, später auch die Stadt; es gab aber auch Verhältnisse, wo der Verbrecher des Friedens im ganzen Volk verlustig wurde. Die Kirche setzte später oft an Stelle des weltlichen Bannes die Wallfahrt an heilige Örter, wobei der Verbrecher Bande und Kette trug. Frauen unterlagen deshalb der Verbannung nicht, weil sie nicht in der Gemeinschaft der freien Männer standen. Landesverwiesene durften, wenn sie sich bei feierlichem Einzug des Fürsten an dessen Wagen oder Pferd hielten, sicher zurückkehren.

3. Gefängnisstrafe, zeitweilige und lebenslängliche, wird zuweilen erwähnt; sie kam aus den römischen eroberten Ländern, und wenn Karl der Grosse befahl, dass jeder Graf in seiner Grafschaft für ein gehöriges Gefängnis sorgen sollte, so fehlte es doch noch später oft an Aufbewahrungsorten für Verurteilte.

IV. Ehrenstrafen. Diese sind in der früheren Zeit mindestens selten gewesen und scheinen erst mit der bestimmteren Ausbildung eines Standes, der auf bevorzugte Ehre Anspruch[954] machte, ausgebildet und üblicher geworden zu sein.

1. Widerruf und Abbitte. Wer den anderen gescholten, ihm ein Verbrechen vorgeworfen hatte, ohne es bewähren zu können, musste sich öffentlich auf den Mund schlagen und sagen: Mund, da du das Wort redetest, logest du!

2. Schimpfliche Tracht, wie das Abschneiden des Haares, das Kürzen des langen Gewandes, beides besonders bei Frauen, die ihre Unschuld nicht beweisen konnten.

3. Untersagung der Waffen und des ritterlichen Gerätes. Ein ehrloser Ritter sollte Stiefel ohne Sporn tragen, ein Pferd ohne Hufeisen, ohne Sattel und mit bastenem Zaum reiten; das hiess mhd. einen von schildes ambet scheiden und rechtlôs sagen. Edelleuten, die sich vergangen hatten, wurde das Tischtuch zerschnitten und das Brot verkehrt gelegt.

4. Symbolische Prozession. Die Missethäter mussten in demütigendem Anzug, ein Zeichen der verwirkten Strafe auf ihrem Hals oder Rücken tragend, vor ihrem Herrn erscheinen und eine vorgeschriebene Strecke, gewöhnlich bis zur Grenze des Gaues durchwandern, gleichsam damit ihre Entehrung jedermann im Lande bekannt würde. Edle und Freie trugen ein blosses Schwert, Unfreie den Strang um ihren Hals, zum Symbol, dass sie verdient hätten, enthauptet oder gehangen zu werden. Missethäter trugen auch Ruten oder Besen in der Hand, zum Zeichen des verwirkten Staupenschlags, wie dem ergriffenen, vor Gericht geschleppten Dieb Schere und Besen auf den Rücken gebunden wurde. Edle Verbrecher trugen Hunde, wohl um anzudeuteu, dass sie wert wären, gleich einem Hund erschlagen und aufgehängt, an der Seite eines Hundes aufgehängt zu werden. Blosse Freie oder Dienstmannen trugen Sättel, Unfreie ein Pflugrad. Frauen trugen Steine um den Hals.

5. Eselritt. Eine Frau, die ihren Mann geschlagen hatte, musste rückwärts auf einem Esel reiten und dessen Schwanz haltend durch den ganzen Ort ziehen. Ähnliche Ehrenstrafen sind, hinterrücks auf einen weissen Gaul, oder auf einen schwarzen Widder gesetzt zu werden.

6. Dachabdeckung ist ebenfalls eine Strafe für den Ehemann, der sich von seiner eigenen Frau hat raufen, schlagen und schelten lassen.

7. Mit Pech bestreichen und in Federn wälzen.

8. Pranger; der Verbrecher wird an einen auf dem Gerichtsplatz oder sonst öffentlich stehenden Pfahl, Block oder Stein gebunden, angeschlossen oder eingespannt und den Blicken des Volkes ausgestellt; dieser Schandpfahl heisst in Niederdeutschland Kake, in Schwaben die Schraiat, in Bayern die Preche, in Norddeutschland die Fiedel, in Schwaben die Geige. Härtere Strafe ist der Schandkorb, der für Gartendiebe, zänkische Weiber und Ehebrecher gebraucht wurde, und das Aufhängen im Kefich.

9. Unehrliches Begräbnis. Tote Übelthäter und Verbrecher wurden auf den Kreuzweg begraben und nicht über die Schwelle, deren Heiligkeit nicht entweiht werden durfte, aus dem Haus getragen, sondern durch ein Loch unter der Schwelle hergeschleift; so der beim Einbruch erschlagene Nachtdieb und der Ketzer, namentlich aber der Selbstmörder.

Nach Wilda, Strafrecht der Germanen, Halle 1842; J. Grimm, Rechtsaltertümer, 680–744; Walter, Rechtsgeschichte. Vgl. Dreyer, antiquarische Anmerkungen über einige in dem mittleren Zeitalter in Teutschland und dem Norden üblich gewesene Lebens-, Leibes- und Ehrenstrafen, Lübeck 1792, und Kriegk, Deutsches Bürgertum, I.[955] Abschn. XI, Kriminaljustiz und Abschn. XII, Die Kriminalstrafen; Schultz, höfisches Leben, II, 149 bis 157.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 950-956.
Lizenz:
Faksimiles:
950 | 951 | 952 | 953 | 954 | 955 | 956
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Die Serapionsbrüder

Die Serapionsbrüder

Als Hoffmanns Verleger Reimer ihn 1818 zu einem dritten Erzählzyklus - nach den Fantasie- und den Nachtstücken - animiert, entscheidet sich der Autor, die Sammlung in eine Rahmenhandlung zu kleiden, die seiner Lebenswelt entlehnt ist. In den Jahren von 1814 bis 1818 traf sich E.T.A. Hoffmann regelmäßig mit literarischen Freunden, zu denen u.a. Fouqué und Chamisso gehörten, zu sogenannten Seraphinen-Abenden. Daraus entwickelt er die Serapionsbrüder, die sich gegenseitig als vermeintliche Autoren ihre Erzählungen vortragen und dabei dem serapiontischen Prinzip folgen, jede Form von Nachahmungspoetik und jeden sogenannten Realismus zu unterlassen, sondern allein das im Inneren des Künstlers geschaute Bild durch die Kunst der Poesie der Außenwelt zu zeigen. Der Zyklus enthält unter anderen diese Erzählungen: Rat Krespel, Die Fermate, Der Dichter und der Komponist, Ein Fragment aus dem Leben dreier Freunde, Der Artushof, Die Bergwerke zu Falun, Nußknacker und Mausekönig, Der Kampf der Sänger, Die Automate, Doge und Dogaresse, Meister Martin der Küfner und seine Gesellen, Das fremde Kind, Der unheimliche Gast, Das Fräulein von Scuderi, Spieler-Glück, Der Baron von B., Signor Formica

746 Seiten, 24.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon