Wolff [1]

[740] Wolff, Christian, Freiherr von, einflußreicher Philosoph des vorigen Jahrh., geb. 1679 zu Breslau, wurde 1707 durch Leibnizens Empfehlung Professor der Mathematik in Halle, von den dortigen Theologen des Atheismus u. Determinismus bezüchtigt, nach langen Streitigkeiten aber durch eine Kabinetsordre vom 8. Nov. 1723 abgesetzt, weil seine Lehren mit der im göttlichen Worte geoffenbarten Wahrheit unvereinbarlich seien, und ihm zugleich befohlen, die preuß. Lande bei Strafe des Stranges binnen 48 Stunden zu verlassen. Er lehrte nun Philosophie zu Marburg, wurde namentlich in Folge seiner fortdauernden Streitigkeiten mit den prot. Theologen ein weltberühmter Mann, mit Ehren und Würden bedacht, nach Halle zurückberufen, wohin er 1740 als Professor des Natur- und Völkerrechts, Geheimerath und Vicekanzler wirklich zurückkehrte, 1745 Reichsfreiherr und st. 1754. W. wollte nichts von einer philosophia Leibnitio-Wolffiana hören, sondern die Philosophie »als Wissenschaft von allem Möglichen als solchem« auf eigenen Füßen stehend begründet haben; richtig ist, daß er die originellsten Gedanken seines Meisters Leibniz fahren ließ (Monadenlehre), sonst aber die Leibniz'sche Philosophie in systematische Form brachte u. mit unermüdlicher Demonstrirsucht in einer Unzahl von Quartbänden nach der mathematisch-syllogistischen Methode tausenderlei Dinge zu beweisen suchte, die wir alle schon wissen. W.s Bedeutung als Philosoph liegt darin, daß er das ganze Gebiet des Wissens als Eigenthum der Philosophie erklärte und aus vorhandenem Material mit architektonischem Geiste ein systematisch geordnetes Lehrgebäude zimmerte (über seine Eintheilung der Philosophie s. Bd. IV. S. 533); ferner daß er die Ontologie weit genauer als Leibniz ausbildete und die Methode als solche zu einem Gegenstande der Untersuchung machen half. Endlich schrieb W. auch Werke in deutscher Sprache, und zwar verhältnißmäßig sehr klar und verständlich, doch war er nicht der erste, der dies that, Jakob Böhme hatte es lange vor ihm gethan und Leibniz neuen Anstoß dazu gegeben, und die späteren Philosophen haben nicht sowohl deutsch und klar geredet, als sich einen schwer verständlichen Jargon gebildet, wo die alltäglichsten Gedanken und Einfälle sich hinter einer Menge hochtrabender Ausdrücke u. Redensarten verstecken. Die W. sche Philosophie wurde populär u. herrschte bis auf die Zeiten Kants, die hauptsächlichsten Vertreter derselben waren Thümming (1697–1728), Bilfinger (1693 bis 1750), Baumeister (1708–85), der Aesthetiker Baumgarten (1714–62) sowie Meier (1718–77), der Schüler des letztern. Lebensbeschreibungen W.ens von Baumeister (Lips. et Vratisla 1739), Stiebritz und Gottsched, dann W.ens eigene: Ausführliche Nachricht von seinen eigenen Schriften, die er in deutscher Sprache etc. herausgegeben (Frkf. 1733), neu mit einer Abhandlung über W. durch Wuttke, Leipz. 1841.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 740.
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