Alembert

[290] Alembert (spr. alangbǟr), Jean Lerond d', Philosoph und Mathematiker, geb. 16. Nov. 1717 in Paris, gestorben daselbst 29. Okt. 1783, Sohn der Frau v. Tencin und des Ingenieuroffiziers Destouches (Bruders des Dichters), trat, 12 Jahre alt, in die Pensionsanstalt des Collège Mazarin. Anfänglich studierte er Theologie, später die Rechte, wurde Advokat, wendete sich aber bald den mathematischen und physikalischen Studien zu. 1741 als Mitglied in die Pariser Akademie aufgenommen, war er seit 1772 viele Jahre deren ständiger Sekretär. In dem »Traité de dynamique« (Par. 1743; beste Ausg., das. 1759) veröffentlichte er das nach ihm benannte Prinzip, welches zur Berechnung der einem starren Körper durch gegebene Kraftimpulse mitgeteilten Bewegung dient und aussagt, daß Kräfte, welche die tatsächlich erzeugten Bewegungen hervorbringen würden, in entgegengesetzter Richtung auf den Körper wirkend, mit den gegebenen Kräften im Gleichgewicht sein müssen. Das d'Alembertsche Prinzip gestattet die Lösung der Aufgabe, die Bewegung eines starren Körpers, d.h. eines Systems von unendlich vielen, starr miteinander verbundenen Massenpunkten, auf die Bewegung eines einzigen Massenpunktes zurückzuführen. – D'Alemberts zahlreiche Abhandlungen auf dem Gebiete der reinen und angewandten Mathematik sind gesammelt in den »Opuscules mathématiques« (Par. 1761–1780, 2 Bde.). Von den exakten wandte sich A. auch zu andern Wissenskreisen, später dazu durch vielfache Streitigkeiten veranlaßt. Außer den »Mélanges de littérature, d'histoire et de philosophie« (Par. 1752, 5 Bde., und 1770, 5 Bde.) veröffentlichte er die durch Scharfsinn und Klarheit ausgezeichneten »Éléments de philosophie« (das. 1759). Mit Diderot unternahm er die Herausgabe der großen »Encyclopédie« (Par. 1751–80, 33 Bde.), in welchem Werk er die Einleitung, eine Einteilung und systematische Übersicht der Wissenschaften nach Bacon (neuer Abdruck, das. 1894) und die mathematischen Artikel schrieb. Ferner verfaßte er »L'art de traduire«, die »Réflexions für le style« und andere, höchst geistreiche Schriften, denen er vorzüglich seinen stilistischen Ruf verdankt. In der Philosophie neigt er zur Skepsis; er wird zu dem Glauben gedrängt, daß es außer uns nichts gebe, was dem, das wir wahrzunehmen meinen, entspreche. Weder von der Materie noch von dem Geist haben wir nach ihm eine deutliche Vorstellung, doch scheint die Verbindung der Teile in den Organismen eine bewußte Intelligenz zu erfordern. Als »Freidenker« mußte er von seiten der Theologen heftige Anfeindungen erfahren, die ihn aber doch nicht vermochten, dem Rufe Friedrichs II. noch dem der Kaiserin Katharina II. von Rußland zu folgen. Als Mensch von offenem, uneigennützigem Sinn, hat er durch sein unglückliches Liebesverhältnis zu der geistreichen, aber unbeständigen L'Espinasse Teilnahme eingeflößt. Gesammelt sind seine vermischten Schriften herausgegeben als »Œuvres philosophiques, historiques et littéraires« von Bastien (Par. 1805, 18 Bde.), von Didot (das. 1821, 16 Tle. in 5 Bdn.) und in Auswahl von CondorcetŒuvres. Sa vie, ses œuvres, sa philosophie«, neue Ausg., das. 1852). »Œuvres et correspondances inédites de d'A.« gab Ch. Henry (Abbeville 1887) heraus. Seine Biographie schrieb J. Bertrand (Par. 1889).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 290.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: