Animismus

[534] Animismus (lat.), philosophisches und physiologisches System, nach dem die Gesamtheit der Lebensvorgänge im Körper nicht minder wie das Vorstellen und Denken auf der Wirksamkeit einer immateriellen Substanz, der Seele, beruht. Dasselbe wurde im Altertum durch Aristoteles, in der Neuzeit durch G. E. Stahl (s. d.) aufgestellt. Die Monadenlehre des Leibniz ist mit dem A. nahe verwandt, und auch die Ansichten des Hylozoismus (s. d.) und des Vitalismus (s. d.) haben Berührungspunkte mit demselben. In neuerer Zeit wurde der von den Naturforschern aufgegebene A. von Bouillier wieder verteidigt (»Du principe vital et de l'âme pensante«, Par. 1862), und auch E. v. Hartmanns »Philosophie des Unbewußten« lehrt die Einerleiheit des Ursprungs der Erscheinungen des geistigen und körperlichen Lebens aus einem metaphysischen Prinzip. Seinen tatsächlichen Anhaltspunkt sucht der A. in der unleugbaren, scheinbar auf eine leitende Intelligenz hindeutenden Zweckmäßigkeit vieler Vorgänge des physischen Lebens und in dem Umstande, daß viele scheinbar mechanische Verrichtungen des Organismus ursprünglich intelligente Handlungen sind, die durch Gewohnheit mechanische wurden; doch ist die Übertragung dieser Anschauung auf alle organischen Funktionen eine Hypothese, die der ausreichenden Bestätigung entbehrt. – A. wird auch die Weltanschauung mancher Naturvölker genannt, nach der alle Dinge und Naturerscheinungen für beseelt gelten, wobei also alles Wirken und Geschehen in der Natur von innewohnenden Elementargeistern abgeleitet wird. Vgl. Tylor, Die Anfänge der Kultur (deutsch, Leipz. 1873, 2 Bde.); Dorman, Origin ot primitive superstitions (Philad. 1881); Borchert, Der A. (Freiburg 1900). Vgl. auch Leben.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 534.
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