Bauhütte

[471] Bauhütte, das in der Nähe besonders größerer, in Ausführung begriffener Bauten errichtete provisorische Bureau mit Schreib- und Zeichenlokal, zuweilen auch Aufenthaltsort der Arbeiter und Aufseher, in Italien fabbrica genannt; dann Name der im Mittelalter gebildeten Gewerksgenossenschaften der Bauleute, insbes. der Brüderschaft der Steinmetzen, die sich vorzugsweise in Deutschland und in der Schweiz aus den in den Klöstern geschulten Werkleuten entwickelte und im 12. Jahrh. mit dem Aufschwung des Steinbaues eine große Bedeutung erlangte, da sie auf die ihr nahestehenden Kunsthandwerke tonangebend wirkte. Infolge häufigen Ortswechsels waren die Glieder dieser Brüderschaft auf einen allgemeinen Bund aller derer angewiesen, die Steinmetzbrauch und Gewohnheit kannten. Um sich für die Ausübung der Kunst das Monopol zu sichern, ward jedem eintretenden Bruder die Geheimhaltung der besondern technischen Kenntnisse zur Pflicht gemacht. Dieser Umstand hat die Mitglieder der Bauhütten mit einem mystischen Nimbus umgeben und sie schließlich in Verbindung mit den Freimaurern gebracht, die jedoch von jenen nur gewisse Äußerlichkeiten und Geheimzeichen angenommen zu haben scheinen. Die einzelnen im Deutschen Reich, in Österreich und der Schweiz bestehenden Bauhütten, die sich nach eignen Gesetzen regierten, standen unter Haupthütten (Großlogen), wie Köln, Wien, Zürich, worunter die zu Straßburg schließlich den Vorrang einnahm (Hüttenordnung von 1459). Der Zweck aller Bauhütten war in erster Linie die Ausbildung und Beschäftigung tüchtiger Werkleute, die, nach bestandener vier- bis fünfjähriger Lehrlingszeit vom Meister losgesprochen, als Gesellen und nach der Übertragung der selbständigen Leitung eines Baues als Meister arbeiten konnten, anderseits die Pflege der Religion und des sittlichen Geistes. Bei der mit Zeremonien verknüpften Lossprechung mußte der Geselle an Eides Statt unter anderm geloben, das Kunstgeheimnis zu bewahren, gehorsam zu sein, auf die Ehre des Handwerks zu halten und sein Steinmetzzeichen nicht zu ändern, worauf er in die Geheimnisse des Grußes und Händedrucks eingeweiht wurde, die ihm als Wandergesellen Eintritt in alle Bauhütten verschafften. Solange die einzelnen Bauhütten eigne Gerichtsbarkeit besaßen, herrschte strenge Disziplin unter den Arbeitern. Nach der Reformation verwandelten sich die Bauhütten infolge der antiken, die Baukunst umgestaltenden Elemente in zünftige Genossenschaften. Aus den Überresten der englischen Bauhütten, ihren Traditionen und Gebräuchen ging 1717 der heutige Freimaurerbund hervor. Vgl. Heideloff, Die B. des Mittelalters in Deutschland (Nürnb. 1841); Janner, Die Bauhütten des deutschen Mittelalters (Leipz. 1876); Rziha, Studien über Steinmetzzeichen (Wien 1883); L. Keller, Die Reformation und die ältern Reformparteien (das. 1885).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 471.
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