Biblische Theologie

[828] Biblische Theologie (biblische Dogmatik), die wissenschaftliche Darstellung des in der Bibel enthaltenen religiösen und sittlichen Gehalts. Sie will eine zusammenhängende Entwickelungsgeschichte der in der Bibel vertretenen religiösen Begriffswelt geben von den ersten Anfängen des hebräischen Volkstums an bis auf die Zeiten, in denen das Christentum auf der Ausgangsschwelle des Neuen Testaments zur alten katholischen Kirche wird. Der Name biblische Dogmatik, den andre vorziehen, ist deshalb weniger passend, weil sich genau und scharf umgrenzte eigentliche Glaubenssätze in der Bibel kaum finden, die eigentliche Dogmengeschichte vielmehr gerade da anhebt, wo die b. T. aufhört. Im übrigen s. Theologie und Dogmatik. Nach der Natur der Sache zerfällt auch die b. T. in zwei Hauptteile: in die des Alten und die des Neuen Testaments. Jene unterscheidet die prophetisch-hebräische und die gesetzlich-jüdische Periode, diese die evangelische und die apostolische Periode. Unter den Quellen der biblischen Theologie nehmen neben der Bibel auch die Mischna, Philo und Josephus, die alt- und neutestamentlichen Apokryphen und Pseudepigraphen eine wesentliche Stelle ein. In ihrem rein historischen Charakter ist die b. T. ein Produkt der neuern protestantischen Theologie. Ihre moderne Bearbeitung beginnt mit De Wette (»Biblische Dogmatik des Alten und Neuen Testaments«, 3. Aufl., Berl. 1830), Baumgarten-Crusius (1828), v. Cölln (1836), Lutz (2. Ausg., Pforzh. 1861) und Ewald (Leipz. 1871–76, 4 Bde.). Das Beste auf dem Gebiete der biblischen Theologie des Alten Testaments bietet H. Schultz (4. Aufl., Götting. 1889). Einen neuen Aufschwung nahm die b. T. des Neuen Testaments seit der Zeit, als die Lehrbegriffe der einzelnen neutestamentlichen Schriftsteller genauer untersucht und hinsichtlich ihrer Verschiedenheit geprüft wurden, wodurch ein farbenreiches Bild von der religiösen Bewegung der apostolischen Zeit, als dem Quell der nachfolgenden Entwickelung der alten katholischen Kirche, entstanden ist. In dieser Richtung haben das Beste geleistet auf mehr konservativem Standpunkt: K. F. Schmid (»B. T. des Neuen Testaments«, 5. Aufl. von Heller, Leipz. 1886; neue Ausg., Gotha 1892); Weiß (»B. T. des Neuen Testaments«, 6. Aufl., Berl. 1895) u. Beyschlag (»Neutestamentliche Theologie«, 2. Aufl., Halle 1896, 9 Bde); nom Standpunkte der freien Wissenschaft aus: ReußHistoire de la théologie chrétienne an siècle apostolique«, 3. Aufl., Straßb. 1864), F. C. Baur (»Vorlesungen über neutestamentliche Theologie«, Tübing. 1864), Immer (»Neutestamentliche Theologie«, Bern 1878), H. HoltzmannLehr. buch der neutestamentlichen Theologie«, Freib. 1897, 2 Bde.). In neuester Zeit beginnt man, in richtiger Würdigung der Erkenntnis, daß die alten Rahmen der Disziplin zu eng sind, an ihre Stelle eine Religionsgeschichte des Alten und Neuen Testaments (bez. des Urchristentums) zu setzen. So R. Smend (»Alttestamentliche Religionsgeschichte«, Freib. 1893, 2. Aufl. 1899) und Wernle (»Die Anfänge unsrer Religion«, Tübing. 1901). Vgl. auch Wrede, Aufgabe und Methode der sogen. neutestamentlichen Theologie (Götting. 1897).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 828.
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