Geschirr

[682] Geschirr (Beschirrung, hierzu Taf. »Geschirre«), das gesamte zu einem Fuhrwerk gehörige Riemen- und Lederzeug, ist, soweit es zur Anschirrrung der Zugpferde gehört, Kummet- oder Sielengeschirr, je nachdem die Pferde mittels des um den Hals liegenden Kummets oder bloß mittels eines um die Brust gelegten Riemens, des Brustblattes, ziehen. Das Kummet erhält seine Form durch eiserne Kummetfedern, in manchen Gegenden (Süddeutschland) bei Last- und ländlichen Fuhrwerken durch das Kummetholz, das zu beiden Seiten oben in Hörnern endigt. Die Kummetfedern endigen oben in Riemenösen, unlen die eine in einer Kettenöse, die andre in einem Kettenhaken (beim Militärgeschirr, beim Kutschgeschirr auch in Riemenösen); hierdurch wird es möglich, die Weite des Kummets bis zu einer gewissen Grenze der Brust des Pferdes anzupassen. An den Kummetfedern ist innerhalb das Kummetkissen befestigt, ein mit Leder bekleidetes Polster, zwei Wülste bildend, deren größerer möglichst gleichmäßig an Hals und Brust des Pferdes, um das Durchziehen zu vermeiden, anliegen muß, während der kleinere Wulst nach vorn liegt. Oben wird das Kummet durch den Kummetfederriemen zusammengehalten und durch den Kamm-o der Kummetdeckel bedeckt. Zu beiden Seiten des Kummets sitzen an den Kummetfedern Blatthaken, Zugblätter oder Zugösen zum Einhaken oder Einschnallen der Zugtaue, Zugstränge, Zugriemen oder Zugketten. Der Kammdeckel, der hinter dem Widerrist liegt und dort mittels Gurte befestigt wird, ist der Träger der Zugstränge; von dem Kammdeckel läuft der Schweifriemen mit einer Schlinge zum Schweif, Kreuz-, Trage- oder Schweberiemen führen zum Tragen der Zugtaue seitlich herunter. Die Stangenpferde haben zum Aushalten des Fuhrwerks in gebirgigen Gegenden, oder wenn sie in der Gabel gehen, einen Umgang (Hinterzeug), d. h. einen breiten Riemen, am Kummet befestigt, mit Trageriemen am Rückriemen hängend, in den sich das Pferd mit den Hinterbacken beim Parieren hineinlegt. Zu diesem Zweck ist am untern Teil des Kummets ein kurzer, starker Riemen (kurze Koppel) befestigt, in den die an der Spitze der Deichsel sitzenden Aufhalter oder Steuerriemen eingehakt oder geschnallt sind. Beim Vier- und Sechsgespann sind die Mittel- und Vordergeschirre ähnlich den Stangengeschirren konstruiert; nur fehlen die Teile zum Parieren. Die Vorderpferde ziehen beim Fahren vom Sattel an den Zugtauen der Mittelpferde, beim Fahren vom Bock an einer an der Spitze der Deichsel befestigten Zug- oder Sprengwage. Wird das Fuhrwerk nicht vom Bock, sondern vom Sattel aus gefahren, wie die Militärfuhrwerke, so ist zwischen Vorder- und Hinterzeug statt des Kammdeckets der Sattel eingefügt, an den diese durch Schnallriemen befestigt sind. Bei dem Sielengeschirr führt statt des Kummets ein breiter Riemen, das Brustblatt, um die Brust des Pferdes, der nach hinten in die Zugriemen oder Zugstränge ausläuft und gegen das leicht bei ihm vorkommende Durchziehen der Pferde häufig mit Rehfell gefüttert ist. Das Brustblatt wird durch den Halsriemen und durch den Kammdeckel in seiner Lage erhalten. Das Kummet ist das für den Zug zweckmäßigere G., weil es die Schulterbewegung weniger beeinträchtigt als das Sielengeschirr; dieses ist allerdings für verschiedenartige Pferde leichter passend zu machen als ersteres, eignet sich jedoch für schweren Zug weniger gut, als man annimmt. Liegt das Brustblatt zu hoch, so beeinträchtigt es die Atmung, liegt es zu tief, so wird die Bewegung der vordern Extremitäten beeinträchtigt. Außerdem kann das Pferd in viel geringerm Maße seine Zugkraft entwickeln als im Kummetgeschirr. Endlich ist die Anbringung der Aufhalter, für das Hemmen wie für das Zurückschieben des beladenen Wagens, erschwert, weil diese Geschirre meist kein Hinterzeug führen und die Aufhalter den Pferden einfach um den Hals gelegt, eventuell mittels eines Riemens leicht mit dem G. verbunden werden. Für alle Fälle empfiehlt es sich, die Aufhalter am G. zu befestigen und sie in der Richtung der Zugkraft an der Deichsel, d. h. an einem an der Spitze derselben befindlichen Querriegel, anzubringen, wodurch die ruhige Lage des Kummets gesichert wird, sei es für Luxus- oder Arbeitsgeschirr. Fig. 1 der Tafel zeigt ein rationelles G. für schweren Zug, bei dem die Aufhalter in Form eines Vorderzeuges direkt mit dem Hinterzeug verbunden sind. Um gutes Passen des Kummets zu ermöglichen, bedient man sich mit Vorteil der Stellkummete. Die Aufhalter werden am Kummet am praktischsten durch einen Riemen geleitet, der mit seinen beiden Enden an den Zugösen befestigt ist, da bei dieser Methode die Pferde am sichersten im Zuge stehen. Bei Einspännern, die in der geschweiften Gabel gehen, bedient man sich des sogen. Selletgeschirrs (Fig. 2), das einen breitern Kammdeckel führt, in den die Stangen der Gabel eingeschnallt werden. Das Hinterzeug dieses Geschirrs wird an den Stangen der Gabel befestigt. Fig. 3 zeigt eine Kummetanspannung für Luxuszug, Fig. 4 eine Brustblattanspannung für leichten, bez. Juckerzug. Dem Stil nach unterscheidet man für Luxuszwecke: das englische G. (in allen Kulturstaaten am gebräuchlichsten), das ungarische G. (ein Brustblattgeschirr), das russische G. (ein Kummetgeschirr, bei dem über ihm zur Befestigung an den Gabeln ein sogen. Krummholz benutzt wird) und endlich das amerikanische G. mit besonders leichtem Riemenzeug. Vielfach hat man sich bemüht, zur Schonung der Pferde beim Anziehen der Last elastische Zugvorrichtungen einzuführen. Von den zahlreichen [682] Konstruktionen hat sich praktisch bewährt die Zugvorrichtung von Hannemann u. Komp., Berlin, die an Stelle der üblichen Ortscheitvorrichtung benutzt wird. An einem stählernen Wagebalken sind zu beiden Enden zwei Hebel derart angebracht, daß sie sich um einen etwa in der Mitte ihrer Länge liegenden Drehpunkt leicht drehen lassen. Diese Hebel tragen an ihren äußern Enden die beiden Ortscheite, während ihre innern Enden durch eine entsprechend kräftige Spiralfeder verbunden sind (s. die Abbildung). Die Vorrichtung ist bei der Berliner Feuerwehr eingeführt und hat sich sehr gut bewährt.

Elastische Zugvorrichtung von Hannemann u. Komp.
Elastische Zugvorrichtung von Hannemann u. Komp.

Über die Geschirre sämtlicher Arbeitstiere vgl. Zürn, Geschirrkunde (Leipz. 1897). – In der Weberei nennt man G. die Vorrichtungen zur Bewegung der Webstuhlschäfte; Geschirrordnung, die Anordnung des Geschirrs zur Hervorbringung eines bestimmten Musters (s. Weben).- Im Maschinenwesen bezeichnet man in veralteter Ausdrucksweise als G. (oder gangbares Zeug) die Nebenteile einer Maschine, wodurch die Bewegung fortgepflanzt wird, z. B. die Kammräder und Getriebe bei Mühlen etc.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 682-683.
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