Gesellenvereine

[716] Gesellenvereine nennt man auf katholisch konfessioneller Grundlage ruhende, unter geistlicher Leitung stehende Vereine von Handwerksgesellen, die seit 1849 in größerer Zahl in Deutschland, Österreich und in der Schweiz gegründet wurden. Um sie machte sich besonders verdient der »Gesellenvater« Domvikar Adolf Kolping (s.d.), der, ursprünglich selbst Schuhmachergeselle, seine eignen Erfahrungen für das Vereinswesen verwerten konnte. Als ihr Ziel wird bezeichnet: Anregung und Pflege eines kräftigen religiösen Sinnes und Lebens, Verbreitung nützlicher Kenntnisse und Fertigkeiten in Verbindung mit geselliger Unterhaltung. Größere G. haben auch Unterrichtskurse in Sprachen, Buchhaltung etc. eingerichtet. Zureisenden und bedürftigen Gesellen wird Unterstützung in Form freier Herberge und von Naturalien gewährt. Doch wird auf solche kein Recht zuerkannt, der Geselle soll durch Weckung des Ehrgefühls daran gewöhnt werden, nur im dringenden Notfall Hilfe in Anspruch zu nehmen. Abreisende Gesellen erhalten eigne Wanderbücher, auf Grund deren sie in andern Vereinen Aufnahme finden können. Ordentliche Mitglieder können nur ledige katholische Gesellen werden. Jeder Lokalverein hat eine aus Ehrenmitgliedern bestehende Vorstandschaft, an deren Spitze ein von ihr gewählter, vom Bischof genehmigter und nur durch diesen absetzbarer, meist geistlicher Präses steht. Die Vereine bilden mehrere größere Verbände (jeder unter einem Zentralpräses) unter dem gemeinsamen Vorsitz eines Generalpräses, der seinen Sitz in Köln hat. In Deutschland zählt der große katholische Gesellenverein 1902: 967 Zweigvereine mit 228 eignen Häusern und 138,030 Mitgliedern, darunter 49,890 ordentliche. Über die Zahl der G. in deutschen und außerdeutschen Ländern im J. 1902 unterrichtet die folgende Übersicht:

Tabelle

In den 331 Hospitzen wohnen 3780 Gesellen ständig. Die Zahl der beherbergten Zugereisten betrug 112,137. 515 Vereine haben Sparkassen mit 41/2 Mill. Mk. Guthaben der Mitglieder. Organe der deutschen G.[716] sind die »Rheinischen Volksblätter« (Köln, seit 1853), der »Arbeiterfreund« (Münch., seit 1873) und das wöchentlich erscheinende »Kolpingsblatt«. Ähnliche Vereine wie die deutschen G. sind die französischen Cercles catholiques d'ouvriers, deren Zahl auf 200 beziffert wird, mit dem Organ »L'Association catholique« (seit 1874) und die belgische Fédération des Sociétés ouvrières catholiques mit dem Organ »L'Economie chrétienne« (Lüttich). Vgl. Kolping, Der Gesellenverein (Köln 1849); Bongartz, Das katholisch-soziale Vereinswesen in Deutschland (Würzb. 1879); Dehn, Die katholischen G. in Deutschland (Berl. 1882); die Schriften von Krönes: Winke und Ratschläge bezüglich der Gründung und Leitung eines katholischen Gesellenvereins (2. Aufl., Paderb. 1892), Materialiensammlung zum Gebrauch für die Präsides katholischer Gesellen- und Arbeitervereine (1. Teil, 3. Aufl., das. 1899; 2. Teil 1894) und Kurzgefaßte Instruktion über die Rechte und Pflichten der Mitglieder eines katholischen Gesellenvereins (das. 1898). – Über die protestantischerseits den Gesellenvereinen entsprechenden Jünglingsvereine s. d.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 716-717.
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